Rarität des Monats September 2024
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeden Monat eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Am 2. September 2024 (Montag) um 17.30 Uhr lief (mit einer Einführung)
Wir – zwei
BRD 1969/1970 – 88 Min. (2411 m) – 35 mm (1:1,66) – Farbe
Regie, Buch: Ulrich Schamoni. Kamera: Michael Ballhaus. Musik: Xhol Caravan. Maske: Annette Kolb. Schnitt: Heidi Genée. Ton: Jürgen Kaschewsky. Mischung: Rainer Lorenz. Regieassistenz: Alexander Ebermayer-von Richthofen. Script: Heinz Löhr. Kameraassistenz: Klaus Jahnel, Wolfgang Kruse. Aufnahmeleitung: Ulrich Höner. Mitarbeit: Karin Heilmeyer, Mara Eggert, Eberhard Klein-Happe, Ingrid Burgwinkel, Jochen Lietzow.
Darsteller: Sabine Sinjen (Hella Meyer), Christoph Bantzer (Andreas), Corny Collins (Marlies), Ulrich Schamoni (Willy Meyer), Ulrike Schamoni (Tochter Ulrike Meyer), Käte Jaenicke (Käthe), Herbert Weißbach (Dr. Weißhappel), Rainer Christian Mehring (Festredner), Rolf Eden (er selbst), Horst Tomayer (er selbst), Blandine Ebinger (Mutter Flemming), Dagmar Kotschenreuther (Blumenverkäuferin), Peter Schamoni (Pfarrer), Bernhard Minetti, Friedrich Schröder-Sonnenstern, Ben Wargin.
Produktion: Terra-Filmkunst GmbH. Produktionsleitung: Peter Genée.
Drehzeit: 10. September bis 30. Oktober 1969.
Erstverleih: Constantin.
Zufällig begegnet ein Mann nach zehn Jahren seiner unerfüllt gebliebenen Jugendliebe wieder. Sie ist inzwischen Ehefrau und Mutter, wirkt von ihrem Wohlstandsdasein aber etwas gelangweilt. Sie beginnt, sich wieder mit ihrem alten Freund zu treffen und darüber nachzudenken, ob man das Versäumte nachholen könnte.
„Wir – zwei“ ist heute vielleicht der am wenigsten bekannte Spielfilm von Ulrich Schamoni (1939-1998), dem jüngsten der vier Schamoni-Brüder. Manche wollten in „Wir – zwei“ seinerzeit eine Art Fortsetzung seines fulminanten Erstlings „Es“ sehen, der 1966 der erste Kassenerfolg des „Jungen Deutschen Films“ war und mehrere Bundesfilmpreise erhielt.
Wieder ging es um die Krise einer äußerlich intakt scheinenden Beziehung, wieder spielte Sabine Sinjen die weibliche Hauptrolle, wieder baute Schamoni West-Berliner Lokalkolorit ein, wieder traten diverse Prominente als sie selbst oder in kleinen Rollen auf. Wieder spielte auch Ulrich Schamoni selbst eine wichtige Nebenfigur: Er übernahm den Part des liebevoll-schnoddrigen, aber vielbeschäftigten Ehemanns, der sich seiner Frau allzu sicher ist. Die Tochter des Paares ließ er seine kleine Tochter Ulrike spielen, als eheliches Heim diente erstmals in einem seiner Filme seine Villa in Grunewald, die dann auch in „Chapeau Claque“ und „Das Traumhaus“ ein zentraler Drehort war. Den Schnitt besorgte wie meist bei ihm Heidi Genée, derweil die Zusammenarbeit mit Michael Ballhaus, zu dessen ersten Kinofilmen „Wir – zwei“ gehörte (nachdem er fast die gesamten sechziger Jahre hindurch ausschließlich Fernsehfilme gedreht hatte), eine einmalige Angelegenheit blieb. Ungewöhnlich für Schamoni war auch der durchgängige (und streckenweise recht dominante) Einsatz psychedelisch angehauchter Rockmusik der prominenten Band Xhol Caravan.
„Wir – zwei“ ist auch deshalb weitgehend in Vergessenheit geraten, weil er lange Zeit kaum verfügbar war. Jetzt liegt der Film endlich in digital restaurierter Fassung vor. Wir bieten eine der allerersten Möglichkeiten, ihn auf diese Weise zu erleben und (wieder-) zu entdecken.
Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Mehr zu diesem Film hier (mit Trailer) und hier.
Anzumerken sind noch die schauspielerischen Leistungen der Darsteller Christoph Bantzer und Sabine Sinjen (die ich in keiner besseren Rolle gesehen habe), vor allem aber die Leistung des Schauspielers Ulrich Schamoni, der den kapitalistischen Ehemann mit einer unglaublichen Mischung aus widerwärtiger Naivität und sympathischer Berechnung gibt.
Fernsehen + Film, Juni 1970
Quellen der filmographischen Angaben: https://www.filmportal.de/film/wir-zwei_ee0f833efa7c4b6a930d3bf57dd01c3c (besucht am 27.8.2024).
Photo: Schamoni Film & Medien GmbH.