Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)

Rarität des Monats Juli 2022

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Vom  11.-13. Juli 2022 jeweils um 19 Uhr (am 11. mit einem Gespräch mit Christian Sievers und der Hauptdarstellerin Ulrike Schirm) lief


Kreuzberg „Ahoi“

BRD 1979/1980 – 85 Min. – 16 mm (1:1,37) – Farbe

Ein Film von Christian Sievers und Steven Adamczewski. Kamera: Christian Sievers. Assistenz: Thomas Brost. Ton: Thomas Sievers. Schnitt: Christian Sievers, Thomas Feuerherm. Mischung: Michael Eiler. Aufnahmeleitung: Tobias Buddensieg. Kostüme, Bühne: Steven Adamczewski.

Darsteller: Steven Adamczewski, Ulrike Schirm (aka Ulrike S.), Hanns Kurth, Roland Stoss, Sibylle Sailer, Rüdiger Tuchel, Bernd Henckels, Heinz Fritsche, Die Keil-Sisters, Frau Dümmelich, Gino, Singh, Rockgruppe Oropax u.v.a.

Speziellen Dank an Rosa von Praunheim und an alle anderen, die zur Entstehung des Filmwerkes beigetragen haben.

Produktion: Pankipei Film. Produktionsleitung: Christian Sievers.


Einfach einen abendfüllenden Spielfilm zu drehen, ohne viel Geld, ohne große Erfahrung, aber mit viel Begeisterung und Improvisation – das ist heute in Deutschland nur noch eine Frage der Entschlossenheit, des Organisationstalents und des Durchhaltevermögens. Als sich Steven Adamczewski, Wahl-Berliner aus den USA, Christian Sievers und ihre Mitstreiter 1979/1980 daran machten, sah es noch ganz anders aus: die damalige Filmtechnik zu beschaffen und zu beherrschen war ungleich schwieriger und aufwendiger als heute – und jede gedrehte Minute Film kostete bares Geld.

Unter diesen Bedingungen entstand „Kreuzberg ‚Ahoi’“, in dem ein Seemann in Berlin an Land geht und bereits an der nächsten Brücke einen angetrunkenen älteren Herrn aufgabelt, bei dem er sich sogleich einquartiert. Der Alte entpuppt sich als Holzschnitzer, und der Seemann versucht ihn dabei zu unterstützen, seine Arbeiten endlich zu Geld zu machen. Das gelingt zwar einmal auf dem Flohmarkt, doch die Umsetzung weiterer künstlerischer Ambitionen, auch gemeinsam mit der Tochter des Schnitzers, gestaltet sich weitaus schwieriger, sei es mit Malerei, einer Malperformance, Musik („Disco, Disco!“) oder Theater (der Tochter größtes Idol: Heidi Kabel).

Aber immerhin gibt es da noch das aus unterschiedlichen Gründen und daher auch voneinander frustrierte Ehepaar, welches die Holzplastik auf dem Flohmarkt gekauft hat. Die beiden sagen ebenfalls „Kreuzberg Ahoi“, weil sie sich dort – im damaligen Zentrum der West-Berliner Alternativszene und Subkultur – Begegnungen mit interessanten Menschen und andere aufregende Erlebnisse erhoffen. Die drei (Möchtegern-) Künstler wiederum hoffen auf noch mehr Geld von den Wohlhabenden.

Von der Machart im allgemeinen wie der Darstellungsweise im besonderen her zeigt sich „Kreuzberg ‚Ahoi’“ deutlich inspiriert von Rosa von Praunheim und jenem ausgestellten Dilettantismus, den er seinerzeit pflegte und propagierte. Praunheim soll das Projekt auch sehr unterstützt haben. Und war auch das Ergebnis in vieler Hinsicht eher holzschnittartig, so wurde der Low-Budget-Streifen doch von vielen Medien beachtet, waren diese doch damals noch an umfassender Berichterstattung interessiert und feierten nicht nur jene Filme ab, über die „man“ spricht: So widmete ihm der „Tip“ denn eine Doppelseite mit einem Interview, die „BZ“ nannte ihn „eine skurrile Parodie auf den Kulturbetrieb“ und „herrlich komisch“, und selbst die „Zeit“ besprach die trashige Tragikomödie – wenn auch nur, um sie zu verreißen.

Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.


Zeitgenössisches Plakat




Quellen der filmographischen Angaben: Format: https://www.filmportal.de/film/kreuzberg-ahoi_70d56cb00452489dbed6c46d747d39d0 (besucht am 30.6.2022; dort als Länge 88 Min. angegeben, wohl bezogen auf analoge Kopie). Alle anderen Angaben: Originalvorspann.

Bilder: Pankipei Film.