Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)

Rarität des Monats September 2022

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Vom  9.-14. September 2022 jeweils um 20.30 Uhr lief


Linie 1

BRD 1987/1988 – 96 Min. (2722 m) – 35 mm (1:1,66) – Farbe

Regie: Reinhard Hauff. Buch und Songs: Volker Ludwig. Drehbuch: Volker Ludwig, Reinhard Hauff. Musik: Birger Heymann. Musiker: Richard Wester (sax), Michael Brandt (git), Axel Kottmann (bass), Chris Evans (drum). Choreographie: Neva Howard. Ausstattung: Benedikt Herford, Matthias Fischer-Dieskau. Maske: Rüdiger Knoll, Margrit Neufink. Schnitt: Peter Przygodda. Kamera: Frank Brühne. Ton (Musik): Ralf Krause, Christian Moldt (Originalton), Hartmut Eisgrün (Mix).

Darsteller: Ilona Schulz (Maria, Risi, Rocknudel), Dieter Landuris (Bambi, Anmacher, Witwe Kriemhild, Tamile, sportlicher Typ), Thomas Ahrens (Erich, Leichi, Kontrolleur, Taxifahrer, Bauarbeiter), Christian Veit (Schlucki, Dieter, Witwe Martha, Kontrolleur, Arbeiter, Bauarbeiter), Petra Zieser (Lumpi, Bisi, Titti, Sie, Rocknudel), Claus-Peter Damitz (Witwe Lotti, Dirigent, Bauarbeiter, 2. Mann, Bauarbeitermafia), Dietrich Lehmann (Mücke, Hermann, Witwe Agathe, Kontrolleur, 1. Mann, Bauarbeiter), Else Nabu (Sängerin, 1. Frau, Rocknudel), Christiane Reiff (Lola, Rita, 2. Frau), Rainer Strecker (Kleister), Inka Groetschel  (Sunnie), Andreas Schmidt (Humphrey), Annette Kluge (Fremdenführerin, Rocknudel), Karin Rasenack (Lady, Blondine), Oliver Marlo (Mondo, Bauarbeiter), Jörg Friedrich (Herbert, Zielinski, Fremdenführer), Eva Ebner (Berlinerin), Robert Minich (Uli), Alper Kücük (Ufuk), Hansi Jochmann (Trude, Frau), Numi Thomasson (Andreas), Tilmann Eichstädt (Stefan), Bruno Ferrari (blinder Sänger), Johannes Krisch (Johnnie), Rainer Winkelvoss (gefährlicher Typ, Student), Dieter Hildebrandt (Typ [verrückt]), Hark Bohm (Er), Peter Schöttle (Arbeiter), Circe (Verwirrter) u.v.a.

Eine Produktion der Bioskop-Film. Produzent: Eberhard Junkersdorf.

Erstverleih: Tobis.

Uraufführung: 12. Februar 1988, Berlin, Zoo-Palast (Eröffnungsfilm der 38. Internationalen Filmfestspiele).

Kinostart (bundesweit): 18. Februar 1988.


Im Frühjahr 1986 im Grips-Theater uraufgeführt, entwickelte sich Volker Ludwigs und Birger Heymanns Musical „Linie 1“ schnell zu einem Erfolg weit über die Grenzen Berlins und schließlich sogar Deutschlands hinaus.

Da lag es nahe, das Stück auch auf die Kinoleinwand zu bringen. Diese Aufgabe übernahm Reinhard Hauff, der in den siebziger und achtziger Jahren mit Filmen wie „Die Verrohung des Franz Blum“, „Messer im Kopf“ oder „Der Mann auf der Mauer“ als politisch besonders engagierter Filmemacher reüssiert, seine Laufbahn aber in den Sechzigern mit einfallsreichen Fernsehshows begonnen hatte.

Zwei Jahre, nachdem sein Baader-Meinhof-Justizdrama „Stammheim“ bei der Berlinale den Goldenen Bären gewonnen hatte, eröffnete Hauff 1988 mit „Linie 1“ die Filmfestspiele. Er und der Vorlagenautor Volker Ludwig hatten das Stück, im Grips-Theater aufgeführt auf kleiner Bühne und mit überschaubarem Ensemble, gekürzt und anderweitig bearbeitet, mit immensem Aufwand in eine reine Atelierproduktion verwandelt und dabei greller, plakativer, überdrehter gemacht.

Die umfangreichen Studiobauten stilisierten einerseits den Bahnhof Zoo und die West-Berliner U-Bahn-Welt der späten Achtziger und zeigten vieles, das nicht der Realität entsprach, andererseits wurde das Szenenbild liebevoll mit zahlreichen Details ausgestattet, die direkt der Wirklichkeit entnommen waren und so die damalige Alltagsästhetik dokumentierten.

Zur Premiere wurde vor dem Zoo-Palast gegen die Darstellung Kreuzbergs protestiert, es gab negative Kritiken, die „taz“ titelte, den Eindruck vieler Rezensenten wiedergebend: „Linie 1 entgleist in Harlem“. Mit bis Ende 1988 nur 281.462 Zuschauern blieb die Produktion weit hinter den Erwartungen zurück.

Die häufig vorgebrachte Klage, an die Stelle des sozialkritischen Blicks des Stücks wäre ein gigantischer Videoclip mit lärmender Tourismuswerbung getreten, fand auf unerwartete Weise Bestätigung: Als „Linie 1“ im Mai 1989 in die DDR-Kinos kam, wurde der Film praktisch durchweg gelobt (bis hin zum „Neuen Deutschland“,
das sich freilich vor allem mit der abschreckenden Darstellung der Verhältnisse im Kapitalismus beschäftigte) und fand viel Zuspruch bei den Kinogängern – so diese nicht gerade in Richtung Kapitalismus fortliefen.

Obwohl der Ruhm des Stücks nach wie vor anhält, war der „Linie 1“-Film seither kaum zu sehen. Wir bieten die Gelegenheit, das Urteil von damals zu überprüfen oder ihn überhaupt erst kennenzulernen, digitalisiert und restauriert.



Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.





Quellen der filmographischen Angaben: Filmlänge in Metern, Film- und Bildformat: https://www.filmportal.de/film/linie-1_f726cd16203740cd8e9db733bbdbb8e1 (besucht am 29.8.2022). Uraufführung: Der Tagesspiegel vom 13.2.1988. Alle anderen Angaben: Presseheft der Tobis-Filmkunst zum Kinostart 1988.

Photos: Studiocanal.