Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)

Rarität des Monats Oktober 2024

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeden Monat eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Am 7. Oktober 2024 (Montag) um 17.30 Uhr läuft (mit einer Einführung)



Und sowas nennt sich Leben

BRD 1960/1961 – 91 Min. (2493 m) – 35 mm (1:1,33) – Schwarzweiß

Regie: Géza von Radványi. Idee, Drehbuch: Willy Clever. Kamera: Richard Angst. Bauten: Paul Markwitz. Musik: Martin Böttcher. Schnitt: Walter Wischniewsky. Ton: Clemens Tütsch. Kostümberatung: Claudia Herberg. Aufnahmeleitung: Heinz Götze. Herstellungsleitung: Horst Wendlandt. Gesamtleitung: Artur Brauner.

Darsteller: Karin Baal (Irene Dirks), Michael Hinz (Martin Berger), Elke Sommer (Britta), Wolfgang Lukschy (Herr Berger), Heli Finkenzeller (Frau Berger), Claus Wilcke (Mario), Peter Nestler (Victor), Ilse Pagé (Gaby), Hannelore Elsner (Ulla), Hans-Dieter Frankenberg (René), Karl Otto Alberty (Bob), Tilly Lauenstein (Frau Schlösser), Klaus Dahlen (Wim), Roswitha vom Bruck (Lilo Berger), Alfred Balthoff (Dr. Dirks) u.a.

Produktion: ALFA Spielfilmproduktion. Gesamtleitung: Artur Brauner.

Drehzeit: 11. Juli 1960 bis September 1960. Atelieraufnahmen: CCC-Studios Berlin.

Uraufführung: 10. Januar 1961, Hannover, Filmpalast.

Erstverleih: Prisma.

 

 

Nach ihrem beeindruckenden Début in „Die Halbstarken“ (1956) war Karin Baal einige Jahre lang abonniert auf die Figur der jungen, oft erst heran­wachsenden Frau, die Probleme hat und Probleme macht. Eine derartige Paraderolle erhielt die 1940 geborene Berlinerin 1960 in „Und sowas nennt sich Leben“: Sie spielte Irene, die Tochter eines verwitweten Anwalts, der nicht mal ahnt, wie wild sie es treibt: Mit Intrigen, Lügen und Geschlechtsverkehr mit häu­fig wechselnden Partnern führt sie ein Leben, das nur daran orientiert ist, mög­lichst viel Spaß zu haben.

Auch die meisten anderen jungen Leute in Irenes Umkreis sehen und halten es so, zumal sie finden, daß die Welt schlecht und in Unordnung ist und man ihr nur auf diese Weise begegnen kann. Eine Ausnahme ist der zarter besaitete Sohn eines Bauunternehmers, ein angehender Konzertpianist, der Irene auf­rich­tig liebt und daher lange bereit ist, über vieles an ihrem Verhalten hinweg­zusehen und darauf zu hoffen, daß sie sich bessert. Die Situation spitzt sich zu, als Irene schwanger wird.

Der von Artur Brauner produzierte Film spielt in Frankfurt am Main (womöglich weil die Stadt seit Rosemarie Nitribitt als Deutschlands größtes Sündenbabel galt), wurde aber in Berlin gedreht – was zu kaschieren man sich auch gar keine besondere Mühe gab.

Die schnörkellose Darstellung des verworfenen Treibens desillusionierter Jugend stieß seinerzeit nicht nur bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft auf Widerwillen, sondern auch bei vielen Kritikern, die Brauner, Regisseur Géza von Radványi („Irgendwo in Europa“, „Mädchen in Uniform“ [1958]) und Drehbuchautor Willy Clever („Romanze in Moll“, „Eine Nacht im Mai“) vorwarfen, hier in ihrerseits schamlos spekulativer Absicht zu­sammengerührt zu haben, was Eltern nicht für möglich halten.

„Und sowas nennt sich Leben“ geriet weitgehend in Vergessenheit, trotz der vielen prominenten Darsteller, von denen einige kurz zuvor schon in Brauners Jugendproblemfilm „Am Tag, als der Regen kam“ (unserer Berlin-Film-Rarität des Monats März 2024) mitgewirkt hatten und die hier noch am Anfang ihrer (zuweilen großen, auch internationalen) Karriere standen.

 


Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.

Mehr zu diesem Film hier und hier.



Ein Glück, daß diese „Sünderinnen“-Rolle mit Karin Baal besetzt ist, die alle Peinlichkeit mit ihrem erstaunlich groß gewordenen Ausdrucksregister überspielt.

Ernst Bohlius, Film-Echo Nr. 8 vom 28. Januar 1961


(...) ein kleines Meisterwerk deutschen Filmschaffens. Aus der Mitte der Traumfabrik ein Versprechen auf eine Art von deutschem Neorealismus, den es so doch nie gab und den es auch nie geben konnte.

Christopher Klaese, www.splatting-image.com, 27. April 2015


 

 



Quellen der filmographischen Angaben: Stab und Darsteller: Originalvorspann (dort der Regisseur als „Geza Ravanyi“ geführt). Alle anderen Angaben: https://www.filmportal.de/film/und-sowas-nennt-sich-leben_0306d3c584224927a1b043a921b8ddaa (besucht am 26.9.2024).

Photos: CCC-FIlm.