Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)

Rarität des Monats Oktober 2022

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Vom  10.-12. Oktober 2022 jeweils um 18 Uhr (am 10. und 12. in Anwesenheit von Julia Dittmann, am 12. auch der Protagonistinnen) lief


Rosa – oder Welche Farbe hat das Leben!

D 2003 – 88 Min. – Farbe

Ein Film von Julia Dittmann. Camera, Colourmatching: Sandra Merseburger. Super 8: Sandra Merseburger, Julia Dittmann. Montage: Franziska von Berlepsch. Animation: Chrysis Lengen. Ton: Uwe Kemter, Susanne Albrecht. Sounddesign, Tonschnitt: Clemens Nürnberger, Kuen-Il Song, Beate Hetényi, Sandra Bittner. Mischung: Lars Ginzel. Musik: Ebony Browne („And then you put your backpack on so“), Wagner & Pohl („My Land“, „Herzensfresser“, „Rosa“), Matthias Dengg („Parlament der Bäume“, „Moll House“), Beate Hetényi („Doors“). Monologtexte: Franz Xaver Kroetz (Die Komödiantin aus „Bauern sterben“, Dramatisches Fragment, zweite Fassung, Juni 1985), Marius von Mayenburg (Janne aus „Psychopathen“). Installation „Weiss 104“ (Schloßplatz, Waschmaschinen): Filomeno Fusco, Victor Kégli. Regieassistenz: Janne Braungardt. Aufnahmeleitung: Karen Sierks. Kameraassistenz: Petra Hönck. Materialassistenz: Hannes Tröger. Bühne: Sönke Guttenberg, Börres Weiffenbach. Licht: Paul Hadwiger, Benedikt Hain, Nicolas Jacob. Script, Continuity: Katharina Scholkmann. Standphotographie: Antje Müller, Susanne Albrecht. Maske für Silbermänner: Almut. Kostüm: Katja Dittmann, Stefanie Hille. Ausstattung: Janne Braungardt, Karen Sierks. Catering: Sonja Borstelmann, Monika Dittmann, Frauke Fischer, Johannes Novy, Audrey Podann, Karina Schewe, Iris Schumacher, Maya Schuster, Mirja Winter. Mädchen für alles, Titelgraphik: Sönke Guttenberg.

Mit Stefanie Hille, Miriam Sachs, Stefan Plepp, Heinrich Sachs, Sophia Sachs, Gesa Henrici, René Deubner, Raul René Maria Henrici, Katja Dittmann. Silbermänner: Stefan Dilling, Hoppe Hopp, Tobias Ehm, Frank Schaberg, Michael Wolff. Sängerin: Ebony Browne.

Eine Produktion von Julia Dittmann in Zusammenarbeit mit der HFF „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg. Produktionsleitung: Angelique Eichenseher.

Erstverleih: Venusfilm.

Kinostart: 4. März 2004.

 

Geradezu trotzig steht ein Ausrufezeichen am Ende der Frage, die den größten Teil des Filmtitels ausmacht: Denn die vier Berlinerinnen im Alter zwischen 27 und 30 Jahren, die Julia Dittmann in ihrem Erstling portraitiert, ringen mit und um das Leben, darum, es privat wie beruflich zu regeln, zu bewältigen und genießen zu können, um Karriere, Mutterschaft, Frausein in einer noch immer patriarchalisch geprägten Gesellschaft und manch anderes.

Gesa Henrici, Katja Dittmann, Miriam Sachs und Stefanie Hille waren noch jung,
als Julia Dittmann sie um die Jahrtausendwende drei Jahre lang mit der Kamera begleitete, befragte, sie inszenierte und sie sich selbst inszenieren ließ. Doch bei allen vier Frauen, mit der Filmemacherin zuvor schon bekannt, hatte es bereits die eine oder andere Umleitung auf dem Lebensweg gegeben: Eine ungeplante Schwangerschaft, psychische Probleme, ein unbefriedigendes Studium, eine gescheiterte Partnerschaft und einiges mehr.

Während Berlin gerade baulich umgestaltet wurde, mußten auch sie ihr Leben um-, in mancher Hinsicht ab- und wieder aufbauen. So dokumentiert der 2003 fertiggestellte Film auch, wie die Berliner Innenstadt vor gut zwanzig Jahren aussah und ruft in Erinnerung, was damals noch stand – und was noch nicht. Und er erinnert daran, welche Freiräume es in der Stadt aller Geschäftigkeit zum Trotz noch gab, weshalb sie auch als Folie oder zumindest Schauplatz für die Träume, Phantasien, Gedankenspiele der Frauen dienen konnte.

Wie diese um ihr Selbstverständnis und Selbstbewußtsein rangen und damit natürlich auch um Selbstfindung und Selbstverwirklichung, ist zwei Jahrzehnte später noch immer genauso aktuell – oder sogar aktueller, denn zur Jahrtausendwende gab es noch nicht den Terror der (a)sozialen Medien, in denen man beständig darüber informiert wird, wie man zu leben, was man zu denken, sagen und tun hat und in denen sich gegenseitig vorgeführt wird, was man für ein tolles Dasein führt (zumindest in der Scheinwelt des Internets).

Zum Titel ihres Streifens, den sie einen „inszenierten Dokumentarfilm“ nannte und mit einem fast rein weiblichen Team realisiert hatte, sagte Julia Dittmann, daß sie „Rosa auch als Genderfarbe neu besetzen würde. Daß eben nicht nur Frauen oder schwule Männer Rosa tragen dürfen, sondern daß Rosa eine Farbe für uns alle ist, eine Farbe für Gleichberechtigung und Freiheit.“


Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.






Quellen der filmographischen Angaben: Filmlänge, Erstverleih, Kinostart: epd Film Nr. 3/2004. Alle anderen Angaben: Original-Abspann.

Photos: Maxi Strauch (oben), Julia Dittmann.