Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)

Rarität des Monats Oktober 2020

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Vom 12.-14. Oktober 2020 um 18 Uhr und am 17./18. Oktober 2020 um 16 Uhr lief





Berliner Ballade

D (West) 1948 – 89 Min. (2499 m) – 35 mm (1:1,33) – Schwarzweiß

Regie: R. A. Stemmle. Buch: Günter Neumann. Kamera: Georg Krause. Bau: Gabriel Pellon. Schnitt: Walter Wischniewsky. Ton: Hans Löhmer. Kostüme: Gertraud Recke. Aufnahmeleitung: Bruno Michalk, Martin Sternberg.

Darsteller: Gert Fröbe, Tatjana Sais, Ute Sielisch, Aribert Wäscher, O.E. Hasse, Hans Deppe, Werner Oehlschläger, Eric Ode, Karl Schönböck, Herbert Hübner, Alfred Schieske, Herbert Weissbach, Kurt Weitkamp, Franz Otto Krüger.

Es spielt das R.B.T.-Orchester, Leitung: Werner Eisbrenner.

Es singen: Rita Paul, Ingeborg Oberländer, Tatjana Sais, Bully Buhlan.

Comedia-Film Alf Teichs Produktion. Produktionsleitung: Werner Drake. 

Erstverleih: Anton E. Dietz-Verleih.

Uraufführung: 31. Dezember 1948, Berlin, Marmorhaus.


Außerhalb Münchens war Gert Fröbe noch unbekannt, als er 1948 seine erste gro­ße Filmrolle spielte: den später sprichwörtlich gewordenen Otto Normal­verbrau­­cher. Am Beispiel dieses Durchschnittsmenschen, seines Kampfes um die Wiederherstellung einer normalen Existenz und manchmal auch ums ein­fache Überleben, wird in „Berliner Balla­de“ das Dasein im zerstörten Berlin samt all seiner Absurditäten geschildert – unterhaltsam und so, daß auch Nach­gebo­re­ne ohne viel Vorwissen einen guten Eindruck davon er­halten; schließlich gibt der Film vor, ein Rückblick aus dem Jahre 2048 zu sein.

Dieser hat mehr oder weniger die Form einer sanft satirischen Nummern­revue. War Ausgangspunkt des Films doch das Kabarett­programm „Schwar­­­zer Jahr­markt“ gewesen, der erste große Erfolg von Günter Neumann. Dabei wurden, während „Berliner Ballade“ ab Juni 1948 entstand, die Lage und damit das Leben in Berlin noch absurder (und das Drehbuch deshalb ständig geän­dert und ergänzt): Nach separaten Währungsreformen in Ost und West hatte die Sowjet­union die Blockade der Westsektoren begonnen, die daraufhin durch die Luft­brücke versorgt wurden – unter entsprechend schwierigen Bedingungen in­sze­­­­­­­nierte R. A. Stemmle den Film.

Als dieser Silvester 1948 im Marmorhaus an der Gedächtniskirche sei­­ne Urauf­führung erlebte, dauerte die Blockade noch an, war die Stadt in­zwi­schen geteilt, der Kalte Krieg in vollem Gange. Dennoch wurde der Film auch von den Zeitungen aus dem sowjetischen Sektor (wo er natürlich nie zu sehen war) meist in differen­zierter Weise besprochen – etwas, das wenig später undenkbar gewesen wäre.

Allerdings hatte die Musik zu „Berliner Ballade“ auch noch das legendäre RBT-Orchester einspielen können, also das Tanzorchester des sowjetisch kon­trol­lierten Berliner Rundfunks, das bald darauf immer stärker gemaßregelt wurde und sich angesichts dessen schließlich auflöste. Günter Neumann war mit seinen „Insulanern“ erst Weihnachten 1948 erstmals auf Sendung gegangen, sein Funk­kabarett hatte sich noch nicht zu einer der wirkungsvollsten Waffen des RIAS gegen die öst­lichen Machthaber entwickelt. Und Stemmle, der für die DEFA gerade „Affaire Blum“ geschrieben hatte, konnte nach „Berliner Ballade“ noch einmal für die DEFA arbeiten.

Als „Trümmerfilm“ soll „Berliner Ballade“ beim Publikum in Westdeutschland (wo seit Sommer 1948 die krassesten Notzeiten vorbei waren) nur auf mäßiges Inter­esse gesto­ßen sein. Anders verhielt es sich im Ausland: In Venedig wurde er bei der Biennale 1949 sogar mit einem Preis des Festivals ausgezeichnet.

Wir zeigen den Film in der vor kurzem digital restaurierten Fassung.


Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.

Mehr zu dem Film hier, hier und hier.








Quelle der filmographischen Angaben: Filmlänge, Filmformat: https://www.filmportal.de/film/berliner-ballade_1f14c7abd1a44974b60915627e8d639f (besucht am 28.9.2020). Uraufführung: Berliner Zeitung vom 5.1.1949. Alle anderen Angaben: Originalvorspann.

Bilder: Günter-Neumann-Stiftung.