Rarität des Monats November 2025
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeden Monat eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Am 3. November 2025 (Montag) um 17.30 Uhr läuft (mit einer Einführung):
Für Mord kein Beweis
DDR 1978/1979 – 96 Min. (2629 m) – 35 mm (1:1,66) – Farbe
Regie, Drehbuch, Szenarium: Konrad Petzold. Dramaturgie: Manfred Hocke. Kamera: Siegfried Hönicke. Musik: Karl-Ernst Sasse. Schnitt: Thea Richter. Szenenbild: Joachim Otto. Kostüm: Marianne Schmidt. Maske: Kurt Tauchmann, Christa/Christel Grewald. Requisite: Werner Ziegler. Ton: Gerhard Ribbeck, Christian Müller, Werner Dibowski. Regieassistenz: Peter Sippach, Eleonore Dressel, Hans-Ullrich Michel. Kameraassistenz: Klaus Groch, Herbert Kroiss. Aufnahmeleitung: Paul Lasinski. Trick: Gerd Petrasch. Beratung: Günter Vehres (Hauptmann der Kriminalpolizei). DEFA-Photograph: Herbert Kroiss.
Darsteller: Winfried Glatzeder (Hauptmann Lohm), Horst Schulze (Zinn), Peter Bause (Leutnant Gallig), Wolfgang Penz (Unterleutnant Reiß), Wolf Goette (Lorras), Hans-Joachim Hanisch (Zumseil), Micaëla Kreißler (Steffi Zinn), Birgit Edenharter (Vera Lohm), Marianne Wünscher (Frau Zoll), Agnes Kraus (Frau Lemke), Friedrich Richter (Priester Rinten), Werner Lierck (der alte Maruschke), Wolfgang Bathke (Dr. Saltz), Gerd Michael Henneberg (Dr. Helmissen), Christoph Engel (Laborant), Waltraut/Waltraud Kramm (Frau Puhlke), Angela Brunner (Frau Zumseil), Susann Anacker (Adelheid), Milan Beli (junger Trabantfahrer), Ludmila Mischke (junge Frau vom Trabantfahrer), Rudolf Ulrich (VP-Hauptwachtmeister Handtke), Harald Wandel (Sascha), Mario Turra (Trinker), Horst Lebinsky (junger Zimmermann), Udo Schenk (VP-Leutnant Berndt), Otto-Erich Edenharter (Priester), Theresia Wider (Friseuse), Ernst Steiner (ABV Gerbot), Clarissa Freistedt (Krankenschwester), Karin Beewen (Frau Saltz), Hans Klering (Hofarbeiter), Hannes Stelzer (Herr Lemke), Siegfried Bartschat (junger Kellner), Gela Götze (hilfsbereites Mädchen), Bodo Schmidt (Wirt Café Liebig), Paul Lasinski (MUK-Fahrer), Victor Keune (Staatsanwalt), Konrad Petzold (Obermeister des Strafvollzugs), Peter Sippach (Justizwachmeister), Shirley Wurlitzer (Kind Neubauwohnung).
Produktion: DEFA Studio für Spielfilme, Gruppe Johannisthal. Produktionsleiter: Dorothea Hildebrandt.
Erstverleih: Progress.
Uraufführung: 19. April 1979, Berlin, Kosmos.
Nach einem spätabendlichen Streit verläßt Carl Zinn die eheliche Wohnung und übernachtet andernorts. Am nächsten Tag ist seine Frau Steffi verschwunden, der Ost-Berliner außer sich vor Sorge: Die beiden sind wohlhabend, seit langem miteinander verheiratet und sehr aufeinander fixiert, ihre Ehe gilt als gut. Als im Langen See eine Frauenleiche gefunden wird, übernimmt Hauptmann Lohm die Ermittlungen.
So beliebt Kriminalfilme von je her waren – in Deutschland tat man sich mit ihnen lange schwer. Das galt auch für die DDR, wo zudem bis Ende der sechziger/ Anfang der siebziger Jahre praktisch nur Krimis gedreht werden durften, bei denen das Böse irgendwie aus dem Westen kam. „Für Mord kein Beweis“, 1978/1979 nach Motiven aus Rudolf Bartschs 1972 erschienenem Roman „Der Mann, der über den Hügel steigt“ entstanden, ist nicht nur ein stringent erzählter Krimi, der auch dann noch spannend bleibt, als die Zuschauer erfahren, wer der Täter ist und es „nur noch“ darum geht, wie er überführt wird und weshalb er den Mord begangen hat. Auch überrascht, daß die Geschichte ein wenig mit einem der Lieblingsnarrative der DDR-Propaganda kollidiert, welches diese über vierzig Jahre hinweg gepflegt hat. – Mörder wie diesen sollte es im SED-Staat eigentlich gar nicht geben, schon gar nicht mehr Ende der siebziger Jahre.
Der Regisseur Konrad Petzold (1930-1999, „Das Kleid“, „Jetzt und in der Stunde meines Todes“, „Alfons Zitterbacke“, „Weiße Wölfe“), der auch das Szenarium verfaßt hatte, ließ sich im Pressebulletin des Progress-Verleihs zitieren: „Ich stelle diesen Kriminalfilm in die Reihe der Gegenwartsfilme, weil wir in ihm einen bestimmten Bereich unseres Lebens zeigen.“ Es wäre ihm darauf angekommen, „zu zeigen, daß Kriminalisten in der DDR ganz normale Menschen sind, die ihre Arbeit verrichten zum Schutze unseres Staates und seiner Bürger, die genauso leben wie jeder andere. (…) Mich interessierte nicht die Psychologie des Mörders, sondern ich wollte das Verhalten sozialistischer Persönlichkeiten zeigen, die im Dienste des Ministeriums des Innern stehen.“ – So diese Aussagen überhaupt ernstgemeint waren, wurden sie durch Winfried Glatzeders Darstellung des Hauptmanns Lohm nur bedingt erfüllt: Er spielte den Ermittler weder als allwissendes Superhirn oder genialen Kombinierer, noch als linientreuen Apparatschik, sondern als fehlbaren Durchschnittsmenschen, der sich bemüht, die Aufgaben, die ihm sein Beruf stellt, so gut wie möglich zu erfüllen (eine Figurenzeichnung, an der sich viele zeitgenössische DDR-Filmkritiker stießen). 1981 stellte Glatzeder seinen ersten Ausreiseantrag, im Jahr darauf durfte er die DDR verlassen. Vergangenen April konnte er seinen achtzigsten Geburtstag feiern.
Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Mehr zu diesem Film (mit Spoilern!) hier, hier und hier.
Ein Fall ist behandelt, der bedeutsam über sich hinausweist, kein Kriminalfall an und für sich ist.
H.U., Neue Zeit (Ausgabe B) vom 26. April 1979
Quellen der filmographischen Angaben: DEFA-Gruppe, Bildformat, Uraufführung: https://www.filmportal.de/film/fuer-mord-kein-beweis_e346584c783f48a286acfe4035b98abf (zuletzt besucht am 18.10.2025). Alle anderen Angaben: https://www.defa-stiftung.de/filme/filme-suchen/fuer-mord-kein-beweis (zuletzt besucht am 18.10.2025).
Photos: DEFA-Stiftung/Herbert Kroiss.