Rarität des Monats November 2022
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Vom 7.-9. November 2022 (also ausnahmsweise bereits am ersten Montag des Monats sowie den beiden Folgetagen) jeweils um 18 Uhr lief
Razzia
D (SBZ) 1947 – 97 Min. (2618 m) – 35 mm (1:1,37) – Schwarzweiß
Regie: Werner Klingler. Drehbuch: Harald G. Petersson nach einer Idee von Klein-Buchholz. Kamera: Friedl Behn-Grund, Eugen Klagemann. Szenenbild: Otto Hunte, Bruno Monden. Ton: Adolf Jansen. Musik: Werner Eisbrenner. Schlagertexte: Günther Schwenn. Schnitt: Fritz Stapenhorst. Regieassistenz: Wiili Stangenberg. Aufnahmeleitung: Willi Teichmann, William Neugebauer.
Darsteller: Paul Bildt (Friedrich Naumann, Kriminalkommissar), Elly Burgmer (Auguste Naumann, Friedrich Naumanns Frau), Agathe Poschmann (Anna Naumann, Tochter der Naumanns), Friedhelm von Petersson (Paul Naumann, Sohn der Naumanns), Nina Konsta (Yvonne), Claus Holm (Karl Lorenz, Kriminalanwärter), Hans Leibelt (Hugo Lembke, Kriminalrat), Heinz Welzel (Heinz Becker, Kriminalanwärter), Harry Frank (Goll, Besitzer der Großbar „Alibaba“), Arno Paulsen (Franz Mierisch, Spediteur), Walter Groß (der „Flotte Willi“), Undine von Medvey (Akkordeonistin), Erwin Biegel (Köppke), Martha Hübner (Frau Werner), Otto Matthies (Herr Vogel).
Eine Produktion der DEFA. Produktionsleitung: Willy Herrmann.
Erstverleih: Sovexportfilm.
Uraufführung: 2. Mai 1947, Berlin, Deutsche Staatsoper (im Ausweichquartier Admiralspalast).
Kinostart: 3. Mai 1947.
Während unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands der staatliche Filmtrust, den die Nationalsozialisten geschaffen hatten, zerschlagen werden sollte, wurde in der sowjetischen Zone ein neuer Monopolbetrieb errichtet. Die so entstandene DEFA war daher schon kurz nach ihrer Gründung 1946 der größte Filmproduzent Deutschlands und hatte zunächst den Anspruch, Filme für das ganze Land zu drehen. So begann sie neben der Produktion anspruchsvoller und zeitkritischer Arbeiten auch rasch mit der Herstellung von Unterhaltungsfilmen.
„Razzia“ war 1947 der erste Krimi der jungen Firma, und wie bei deren nahezu zeitgleich entstandener erster Komödie „Kein Platz für Liebe“ (unserer Berlin-Film-Rarität des Monats Februar 2018) entfleuchte man auch bei diesem Werk nicht in irgendwelche Traumwelten, sondern siedelte es im damaligen Hier und Jetzt an: dem zerstörten Berlin, das von Hunger und anderer Nachkriegsnot geprägt wurde.
Auch um welche Verbrechen es gehen sollte, drängte sich aus diesen Verhältnissen geradezu auf: der Schwarzmarkt und das Verschieben von Waren – Mißstände, die damals nicht zuletzt in den Medien viel beklagt wurden. Dabei hatten die Schwarzhändler, so fragwürdig ihr Treiben tatsächlich war, auch die Funktion
von Sündenböcken, wurde doch gern so getan, als läge der allgemeine Mangel an Waren vor allem daran, daß so viel dem ehrlichen Handel oder genauer: der staatlichen Verteilung entzogen würde. In Wahrheit war der Schwarzmarkt jedoch weniger die Ursache als ein Symptom des Mangels.
Da unter diesem auch die Filmproduktion litt, lag es nahe, möglichst viel außerhalb der Ateliers zu drehen. Nicht so im Falle von „Razzia“: Vom Schauplatz und der Thematik her ein typischer „Trümmerfilm“, entstand er zum größten Teil in Studiokulissen, was wohl der Tatsache geschuldet ist, daß der Dreh weitgehend während des langen, harten Winters 1946/47 stattfand.
Zu den Kulissenbauten gehörte, als ein zentraler Schauplatz des verbrecherischen Treibens, auch ein Nachtlokal samt ebenso verführerischer wie verschlagener Sängerin, womit auch die Schauwerte gesichert waren. Und wenngleich die Sektorengrenzen hier noch keine Rolle spielten und die DEFA noch in ganz Berlin drehte: Die Klischees, welche dabei bemüht wurden, entsprachen nicht nur dem, was schon vor 1945 in deutschen Kriminalfilmen üblich war, sondern auch bereits jenen,
die bald in vielen Berlin-Filmen der DEFA auftauchten, wenn diese zeigen sollten, wie arg es im Westteil der Stadt angeblich zuging.
Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Quellen der filmographischen Angaben: Idee, Schlagertexte: Originalvorspann. Erstverleih: Neue Zeit vom 4.5.1947. Uraufführung: Junge Welt vom 7.5.1947. Kinostart: Neue Zeit und Der Tagesspiegel vom 3.5.1947. Alle anderen Angaben: https://www.defa-stiftung.de/filme/filme-suchen/razzia/ (besucht am 24.10.2022).
Photo: DEFA-Stiftung/Kurt Wunsch.