Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)

Rarität des Monats Mai 2022

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Am 7. und 8. Mai um 17 Uhr sowie vom 9.-11. Mai 2022 um 19 Uhr lief


Alarm in Zirkus

DDR 1954 – 83 Min. (2276 m) – 35 mm (1:1,33) – Schwarzweiß

Regie: Gerhard Klein. Drehbuch: Wolfgang Kohlhaase, Hans Kubisch. Kamera: Werner Bergmann. Schnitt: Ursula Kahlbaum. Musik: Günter Klück. Szenenbild: Willy Schiller. Ausführung der Bauten: Horst Switala, Alfred Hirschmeier. Dramaturgie: Walter Schmitt. Ton: Albert Kuhnle. Kostüm: Helga Scherff. Maske: Bernhard Kalisch, Elli Lämmer. Regieassistenz: János Veiczi, Hans-Albert Pederzani, Gerhard Jentsch. Kameraassistenz: Hans Heinrich, Peter Süring. Aufnahmeleitung: Horst Dau, Karl-Heinz Elsner, Heinz Walter.

Darsteller: Ernst-Georg Schwill (Max), Hans Winter (Klaus), Gertrud Keller (Helli), Helo Gutschwager (Karli), Erwin Geschonneck (Klott), Uwe-Jens Pape (Jimmy), Karl Kendzia (Batta), Ulrich Thein (Herbert), Siegfried Weiß (Hepfield), Josef Peter Dornseif (VP-Oberkommissar), Annelise Matschulat (Frau Weigel), Marga Legal (Mutter des Catchers), Erich Giesa (Stupo-Inspektor), Erich Franz (Vater von Helli), Günter Haack (Catcher), Johannes Rhein (Boogie), Paul Pfingst (VP-Funker), Arthur Reppert (Nachtwächter), Walter Brandt (Kontrolleur), Siegfried Weil (Macky), Paul Knopf (Vater von Max), Grete Carlsohn (Mutter von Max), Hermann Wagemann (Stallmeister), Karl-Friedrich Feudel (Presseoffizier), Hatto Löhr (Bohnenstange), Nico Turoff (Portier im „Kleinen Ballhaus Klott“), Jean Brahn (Zapfer), Waldemar Jacobi (Zapfergehilfe), Hans Flössel (Tierarzt), Hans Krause (Volkspolizist), Wolfgang Thal (Stummpolizist), Hannes Cujath (betrunkener Amerikaner), Friedrich Mechow (Amerikaner), Hans Rose (Pferdepfleger), Gerhard Lah, Wolfgang Hübner, Horst Torka, Edgar Engelmann, Horst Giese, Alfred Lux, Helmut Wendt (alle: Bandenmitglieder), Werner Schlegel, Jörg Jeschar, Manfred Hahn, Wolfgang Quader, Viktor Gericke (alle: Bandenmitglied [Kind]), Frank Scholze, Fritz Decho, Hans-Olaf Hanko (alle: Reporter), Lothar Bergmann, Jürgen Holzapfel, Peter Reuter, Bernd Teuber, Joachim Maas, Bernd Hänold, Dieter Schünemann, Manfred Schalk, Helmuth Kähl, Hans-Dieter Lange, Dieter Wagner, Klaus Arlt (alle: Gruppe der Kinder beim Messerverkauf).

Produktion: DEFA Studio für Spielfilme. Produktionsleitung: Paul Ramacher.

Uraufführung: 27. August 1954.

Erstverleih: Progress.


Klaus und Max leben in ärmlichen Verhältnissen im amerikanischen Sektor
von Berlin. Die Halbwüchsigen träumen davon, sich ein paar Boxhandschuhe zu kaufen und so eine große Karriere zu starten. Eine Chance dazu bietet sich, als sie dabei mitmachen können, bei Nacht und Nebel Pferde aus dem Ost-Berliner Zirkus Barlay nach West-Berlin zu bringen. Doch zufällig waren die Jungs kurz zuvor in
dem Zirkus gewesen, wo Klaus später die Geburt eines Fohlens miterlebt hatte,
das nun bei dem Unternehmen als Ballast getötet werden soll.

„Alarm im Zirkus“ war 1954 der erste der wirklichkeitsnahen, da vom italienischen Neorealismus inspirierten Berlin-Filme Gerhard Kleins und Wolfgang Kohlhaases. Ihm folgten „Eine Berliner Romanze“, „Berlin ... Ecke Schönhauser“ und „Berlin um die Ecke“, der 1966 dem Kahlschlag durch das 11. Plenum des ZK der SED zum Opfer fiel und erst 1989/1990 uraufgeführt werden konnte.

Daß „Alarm im Zirkus“ heute weniger bekannt ist als die nachfolgenden Filme, dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass der geschickt konstruierte und entsprechend spannende Krimi sich mit seinen jugendlichen Hauptfiguren auch an ein jugendliches Publikum richtete. Dementsprechend wurde (und wird) er gern als besserer Kinderfilm mißverstanden – ein Genre, das die Filmgeschichtsschreibung bis heute geringschätzt oder gleich ganz ignoriert.

Derweil sich Stadtbild und Alltagsästhetik in Ost- und West-Berlin 1954 noch kaum voneinander unterschieden, wurden westliche Schauplätze bereits – wie auch später üblich – durch Reklame gekennzeichnet. Bei allem Bemühen um Realitätsnahe folgte auch die Darstellung der Verhältnisse in den beiden Stadthälften den gängigen Klischees der DDR-Propaganda: Im Westen Elend und Not, Arbeits- und Perspektivlosigkeit sowie Verbrechen, im Osten Optimismus und freudiger Aufbau, und jeder kann dort studieren, wenn er nur fleißig genug ist. Auch wimmelt es im Osten nur so vor freundlichen, gütigen Menschen, derweil im Westen Egoismus, Gier und Engherzigkeit regieren. Natürlich darf bei der Zeichnung der dortigen Zustände auch nicht das Nachtlokal mit Jazzklängen und amerikanischen Soldaten fehlen.

Die dem Film auch vorangestellte Behauptung, dieser schildere authentisches Geschehen, wird bis heute in der Regel ungeprüft übernommen. Für den enteigneten und aus Ost-Berlin geflüchteten Besitzer des Zirkus Barlay stellte sich die Sache freilich etwas anders dar: Bei dem vorgeblichen Diebstahl handelte es sich um den Versuch, seine Pferde in den Westsektor nachzuholen. Aus dieser Perspektive war der Film denn selbst jene Funktionalisierung des Vorgangs für die Propaganda, deren Scheitern für die westliche Seite er genüßlich schildert.


Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.





Quellen der filmographischen Angaben: Ausführung der Bauten, Erstverleih: Originalvorspann. Alle anderen Angaben: www.defa-stiftung.de/filme/filme-suchen/alarm-im-zirkus/, besucht am 1.5.2022. Im Originalvorspann werden, der damaligen DEFA-Praxis gemäß, die Darsteller der Kinder und Jugendlichen nur mit ihren Rollennamen genannt. Wolfgang Kohlhaase firmierte damals noch als „Kohlhaas“.

Photos: DEFA-Stiftung/Manfred Klawikowski.