Rarität des Monats Mai 2019
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Vom 13.-15. Mai 2019 um 18 Uhr lief
Zwei in einer großen Stadt
D 1941/1942 – 83 Min. (2248 m) – 35 mm (1:1,37) – Schwarzweiß
Regie: Volker von Collande. Drehbuch: Ursula von Witzendorff, Volker von Collande. Vorlage: Rolf Lauckner. Musik und Liedertexte: Willi Kollo. Musikalische Leitung: Adolf Steimel. Bildleitung: Carl Hoffmann. Kamera: Erich Nitzschmann. Bauten: Carl Böhm, Georg Sehring. Ton: Hans Grimm. Schnitt: Wilhelm von Bonhorst. Regieassistenz: Hanns Mohaupt. Aufnahmeleitung: Willy Herrmann.
Darsteller: Monika Burg (Gisela Meinhold), Carl John (Feldwebel Bernd Birckhoff), Marianne Simson (Inge Torff), Hannes Keppler (Peter Pelle), Hansi Wendler (Gisela Brückner), Volker von Collande (Dr. Eberhard Berg), Käthe Haack (Oberhelferin „Mutti“), Paul Henckels (Droschkenkutscher Bumke), Margarete Kupfer (Frau Böhme), Hubert von Meyerinck (ein Spießer), Wolf Trutz (Mann vor dem Zooeingang), Werner Stock (Mann mit hellem Sommerhut), Gerhard Dammann (Speiseeisverkäufer am Wannsee), Josef Dahmen (gitarrespielender Landser auf dem Dampfer), Eduard Wenck (Hamsterer mit dem „Eierkoffer“), Erna Sellmer (Frau vom Hamsterer), Erik Radolf (Maler Witterlich), Cordula Grun (Rotkreuzschwester Annie), Horst Lommer (Landser Waldemar), Alice Treff (Braut von Landser Waldemar).
Produktion: Tobis-Film.
Drehzeit: 22. September bis November 1941.
Erstverleih: Tobis-Filmkunst.
Uraufführung: 23. Januar 1942, Berlin (Marmorhaus [parallel auch im Capitol Karlshorst]).
Während der Nazi-Diktatur entstanden nur relativ wenige abendfüllende Spielfilme, mit denen direkt Propaganda betrieben wurde. Und selbst in diesen tauchte das „Dritte Reich“ nur selten auf. Die Spielfilmproduktion von Goebbels’ Gnaden sollte vor allem der Unterhaltung und der Ablenkung von der Realität dienen, mit NS-Ideologie abgefüllt wurde das Kinopublikum zu Beginn jeder Vorstellung durch die Wochenschau und oft auch durch den Vorfilm (in diesem Falle unter anderem „Flanderns germanisches Gesicht“). Besonders rar waren Spielfilme, in denen der von den Nazis angezettelte Zweite Weltkrieg zur Sprache kam..
Schon deshalb ist „Zwei in einer großen Stadt“ ein interessantes Dokument: Er schildert die zufällige Begegnung einer Rotkreuzhelferin (Paulette Koller/von Suchan/Colar, die hier erstmals als Monika Burg auftrat und später als Claude Farell eine internationale Karriere machte) auf dem Bahnhof Friedrichstraße und eines Jagdfliegers auf Kurzurlaub. Mehrmals verlieren und begegnen sie sich wieder während eines Sommersonntags, wozu diverse Mißverständnisse beitragen.
Der Propagandawert dieses Films lag nicht nur in der Darstellung einer (in jeder Hinsicht) weitgehend heilen Welt an der „Heimatfront“ voller fröhlicher, freundlicher Menschen (wobei Berlin 1941 tatsächlich von Luftangriffen noch weitgehend verschont geblieben war, während der Terror gegen die jüdische Bevölkerung begann, auf Hochtouren zu laufen). Mindestens ebenso wichtig war, wie die Frauen daheim zur Treue zu den „im Felde stehenden“ Männern und damit auch zum Verzicht angehalten werden sollten, derweil man die Soldaten gleichzeitig der Treue der Frauen versicherte.
Aber selbst in diesem Film sagt niemand „Heil Hitler“, und eine Hakenkreuzfahne ist nur einmal in Gestalt eines kleinen Wimpels am Wannsee zu sehen. So konnte die nette Großstadtromanze, die ihre Propagandawirkung vor allem im damaligen Kontext hatte, später von der Freiwilligen Selbstkontrolle ohne Auflagen für Zuschauer ab sechs Jahren freigegeben werden..
Zu den Schauplätzen dieses Regiedébuts des Schauspielers Volker von Collande (der mit seiner Schwiegermutter Ursula von Witzendorff auch das Drehbuch geschrieben hatte und eine kleine Rolle übernahm) gehörten neben dem Bahnhof Friedrichstraße etwa das Strandbad Wannsee, der S-Bahnhof Nikolassee, die Havel, der Funkturm, die heutige Straße des 17. Juni, der Potsdamer Platz, die Hochbahn, der heutige Breitscheidplatz, der Zoo und der ebenfalls noch unverwüstete Tiergarten.
Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Mehr zu dem Film hier und hier.
Quellen der filmographischen Angaben: Filmlänge, Produktionsfirma, Schnitt, Regieassistenz, Aufnahmeleitung, Rollen bis einschließlich Hubert von Meyerinck: Uta Berg-Gaschow (Hrsg.): Berlin. Außen und innen, Berlin: Stiftung Deutsche Kinemathek 1984. Film- und Bildformat, Drehzeit, Vorlage, Rollen ab Wolf Trutz, Erstverleih: https://www.filmportal.de/film/zwei-in-einer-grossen-stadt_f246d9621511476e9e0fd254e1f7988e (besucht am 15.4.2019; nennt außerdem: Kameraassistenz: Heinrich Klemme, Heinz Klemme. Darsteller: Georg Haentzschel [Bandleader], Horst Winter [Sänger]). Datum und Ort der Uraufführung: BZ am Mittag vom 23.1.1942. Alle anderen Angaben: Originalvorspann.
Bilder: Tobis.