Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)

Rarität des Monats Juni 2024

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeden Monat eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Am Montag, 3. Juni 2024 um 17.30 Uhr lief (mit einer Einführung)



Weg ohne Umkehr

BRD 1953 – 95 Min. (2589 m) – 35 mm (1:1,37) – Schwarzweiß

Regie: Victor Vicas. Drehbuch: Gerhard T. Buchholz, Victor Vicas. Musik: Hans-Martin Majewski. Kamera: Klaus von Rautenfeld. Bauten: Alf Bütow. Schnitt: Ira Oberberg. Ton: Gustav Bellers. Dialogberatung: Beate von Molo. Technische Beratung: Boris Orshansky. Aufnahmeleitung: Willi Jeske. Herstellungsleitung: Charles Münzel. 

Darsteller: Ivan Desny, Ruth Niehaus, René Deltgen, Karl John, Lila Kedrova, Sergej Belousow, Leonid Pylaev, Alf Marholm, Erika Dannhoff, John Haggarty, Wolfgang Neuss, Herbert von Boxberger, Bogislav von Heyden, Reinhard Kolldehoff u.a.m.

Eine Produktion der Occident Film und Trans-Rhein Film. Produktionsleitung: Kurt Hartmann. Gesamtleitung: Gerhard T. Buchholz, Stuart Schulberg.

Erstverleih: Ring-Film-Verleih, Hamburg-Film, Rheinischer Filmverleih Toni Miesen.

Uraufführung: 6. November 1953, Köln, Rex am Ring.

 

Bei Kriegsende hilft ein sowjetischer Offizier einer jungen Berlinerin. Bevor aus ihrer Begegnung mehr werden kann, wird der Mann nach Moskau beordert. Sieben Jahre später kommt er, im Zivilberuf Ingenieur, als Mitglied einer sowjetischen Delegation wieder nach Berlin. Er begibt sich auf die Suche nach der Frau und handelt sich schon deshalb Ärger ein, weil er dazu in den Westsektor fährt. Zu einem Wiedersehen kommt es dann auf eher unwahrscheinliche Weise. Die Verhaltensweise örtlicher Dienststellen, die Ängste und Nöte anderer Menschen und nicht zuletzt der Frau, lassen ihn zunehmend am Sinn seines offiziellen Tuns zweifeln. Und dann begeht er einen fatalen Fehler.

„Weg ohne Umkehr“ gehört zu den wenigen westdeutschen Kino-Spielfilmen, die sich in den fünfziger und sechziger Jahren mit der deutschen Teilung beschäftigten. Der Produzent und Co-Drehbuchautor Gerhard T. Buchholz (1898-1970) zeichnete mit „Postlagernd: Turteltaube“ (1952) und „Durchbruch Lok 234“ (1962/1963) auch für zwei weitere Arbeiten zu dem Thema verantwortlich, zudem mit „Die goldene Pest“ (1954) und „Viele kamen vorbei“ (1956) für zwei ungewöhnliche Produktionen der damaligen Zeit.

Der in Moskau geborene Victor Vicas (1918-1985) kam schon als Kind nach Berlin, mußte aber als Jude vor den Nazis flüchten, zunächst nach Frankreich, dann in die USA. Kurz nach Kriegsende nach Europa zurückgekehrt, machte er sich rasch einen Namen vor allem als Regisseur von Dokumentar- und Lehrfilmen. „Weg ohne Umkehr“ war seine erste deutsche Produktion und sein erster abendfüllender Spielfilm.

Auch für Ivan Desny, der ebenfalls russische Wurzeln besaß, stellte „Weg ohne Umkehr“ einen seiner ersten deutschen Filme dar. Derweil er zu einem Star aufstieg, versandete die Karriere von Ruth Niehaus bald, obwohl die 1925 Geborene zeitweise hoch gehandelt worden war.

Aus heutiger Sicht ist der Film auch eine rare Erinnerung an das Klima von Mißtrauen, Angst und Verfolgung, welches zur Hoch-Zeit des Stalinismus herrschte und das inzwischen gern verharmlost oder einfach geleugnet wird.

In vielen zeitgenössischen Kritiken wurde lobend darauf hingewiesen, daß sich der Film aber jeder Dämonisierung oder Diffamierung von Vertretern des Regimes enthält. So schrieb beispielsweise Gunter Groll in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 27. März 1954: „Streng trennt der Film zwischen dem Regime und den Menschen, die unter ihm leben - und auch die daran glauben, nicht nur die Opfer, sind Menschen. Nichts liegt dem Film so fern wie irgendeine alte oder neue Kollektivschuld-These.“

Bundesfilmpreise gingen 1954 an René Deltgen und den Komponisten Hans-Martin Majewski. „Weg ohne Umkehr“ selbst erhielt die Goldene Schale (die allerhöchste, heute nicht mehr vergebene Auszeichnung des Bundesfilmpreises). 1955 wurde „Weg ohne Umkehr“ als erste deutsche Produktion überhaupt mit dem Golden Globe als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet.

 

Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.

Mehr zu diesem Film hier und hier.


Mit so viel Liebe und Mühe, von der Ausarbeitung des Stoffes bis zum letzten Schnitt, scheint schon lange kein deutscher Film mehr behandelt worden zu sein.

Bet., Film-Dienst Nr. 47/48 vom 13. Dezember 1953


 





Quellen der filmographischen Angaben: Filmlänge, Film- und Bildformat, Erstverleih, Uraufführung: https://www.filmportal.de/film/weg-ohne-umkehr_9df4f68e93fa4553a5a3f948e20e2686 (besucht am 20.5.2024). Alle anderen Angaben: Originalvorspann.

Photos: Trans-Rhein-Film/Occident-Film.