Rarität des Monats Juni 2023
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Vom 12.-14. Juni 2023 jeweils um 18 Uhr (am 12. mit einer Einführung) lief
Engel aus Eisen
BRD 1980/1981 – 105 Min. (2886 m) – 35 mm (1:1,85) – Schwarzweiß
Regie, Buch: Thomas Brasch. Kamera: Walter Lassally. Musik: Christian Kunert. Art Direktor: Nikos Perakis. Kostüme: Ingrid Zoré. Maske: Ursula Drews. Schnitt: Stefan Arnsten, Tanja Schmidbauer. Ton: Lothar Mankewitz. Tonbearbeitung: Tanja Schmidbauer. Mischung: Dieter Schwarz. Geräusche: Willi Kluth. Spezialeffekte: Günter Schaidt. Tonassistenz: Hieronymus Würden. Ausstattung: Bernd Lepel. Ausstattungs-Assistenz: Heidrun Brandt. Regieassistenz: Angela Petrick. Script: Barbara Schuberth. Requisite: Uli Bergfelder, Thomas Bergfelder. Standphotos: Arno Kiermayr. Kameraassistenz: Peter Arnold, Bernd Neubauer. Garderobe: Christine Goethe, Anneke Sachse, Brigitte Bauer. Schnittassistenz: Renée Vial, Isolde Hahn, Heidi Heisuck. Kostümassistenz: Anne Jud. Filmgeschäftsführung: Inge Ruf. Kasse: Barbara von Halem. Produktionsstab: Michael Kersten, Heidi Kranz, Klaus Flöhr, Sophie Kökenhoff. Fahrer: Eckard Czylwik, Wolfgang Krüger. Catering: Heidrun Schmand. Licht und Drehbühne: Alexander Juncker, Wolfgang Kluge, Ulrich Deike, Peter Hoffmann. Bau Bühne: Uwe Fabian, Erhard Goersdorf, Lothar Ruhkopf.
Darsteller: Hilmar Thate (Völpel), Katharina Thalbach (Lisa Gabler), Ulrich Wesselmann (Gladow), Karin Baal (Frau Gladow), Ilse Pagé (Frau Völpel), Peter Brombacher (Schäfer), Klaus Pohl (Gabler), Hanns Zischler (Ridzinski), Horst Laube (Herr Gladow), Jürgen Flimm (Westkommissar), Kurt Raab (Chauffeur), Michael Danisch, Karl Heinz Grewe, Urs Haefti, Hermann Killmeyer, Werner Lustig, Peter Mühlenhaupt, Mimi Strum, Jo Bolling, Gerhard Giesecke, Frank Schendler, Horst Schultheiss, Norbert Schwarz, Anna Thalbach, Rudolf Unger u.v.a.
Eine Gemeinschaftsproduktion der Von Vietinghoff Filmproduktion GmbH Berlin – München, Independent Filmproduktion Heinz Angermeyer GmbH und des ZDF. Produzenten: Heiner Angermeyer, Joachim von Vietinghoff. Redaktion: Christoph Holch. Produktionsleitung: Gerhard von Halem, Gerhard Czepe.
Erstverleih: Concorde.
Uraufführung: 23. April 1981, Berlin, Cinema Paris.
In der DDR war der Dichter und Dramatiker, Schriftsteller und Lyriker Thomas Brasch (1945-2001) immer wieder erheblich angeeckt, hatte aber auch kurzzeitig an der Babelsberger Filmhochschule studieren dürfen. Seinen ersten Film konnte er jedoch erst drehen, nachdem er den SED-Staat 1976 im Zuge des Exodus von Intellektuellen nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns verlassen hatte.
Mit „Engel aus Eisen“ griff Brasch ein Thema aus der Frühzeit der Teilung Deutschlands und damit auch Berlins auf: Den Fall der „Gladow-Bande“, die vor allem während der sowjetischen Blockade der Berliner Westsektoren 1948/1949 ihr Unwesen getrieben hatte, benannt nach und angeführt von Werner Gladow (1931-1950), der davon träumte, nach dem Vorbild Al Capones zum Gangsterkönig aufzusteigen. Er und seine meist ebenfalls noch (sehr) jungen Bandenmitglieder nutzten bei ihren Taten die Probleme der Berliner Polizei aus, die durch die Teilung der Stadtverwaltung und auch der Ordnungskräfte im Zuge des nun voll ausgebrochenen Kalten Krieges entstanden waren.
Brasch schrieb und inszenierte aber keinen konventionellen Krimi. In seinem Schwarzweißfilm, der von dem renommierten, aus Berlin stammenden Kameramann Walter Lassally photographiert wurde, schilderte er weniger die Aktivitäten der Bande und die Ermittlungen gegen sie als das spannungsreiche Verhältnis zwischen Gladow und dem (im Film ehemaligen) Scharfrichter Gustav Völpel, der als Tipgeber und Hehler fungierte, beider Motive für ihre kriminellen Karrieren und konzentrierte sich mehr auf die Beschreibung von Stimmungen und Psychologie. Zu diesem Zweck nahm sich Brasch auch einige künstlerische Freiheiten im Umgang mit den historischen Fakten. Ebenso wurde die Rekonstruktion der Alltagsästhetik eher nachlässig betrieben: Aus heutiger Sicht sehen vor allem die Darsteller in „Engel aus Eisen“ zuweilen eher nach den frühen achtziger Jahren aus als nach den späten Vierzigern. Andererseits achtete Brasch auf ein Detail, das in anderen Filmen, die während der Blockade spielen, gern vergessen wird: den Fluglärm, dem damals weite Teile Berlins durch die westalliierte Luftbrücke ausgesetzt waren.
Für seinen vielbeachteten Erstling erhielt Brasch 1981 den Bayerischen Filmpreis, bei dessen Verleihung er für einen Eklat sorgte, damit aber zugleich dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Chef Franz Josef Strauß unfreiwillig eine Gelegenheit verschaffte, sich als liberal und tolerant zu präsentieren. In Cannes lief der Film, der die beachtliche Summe von 2,4 Millionen Mark gekostet haben soll, im gleichen Jahr als einziger deutscher Beitrag im Wettbewerb.
Wir zeigen „Engel aus Eisen“ zum 75. Jahrestag der sowjetischen Blockade der Berliner Westsektoren und damit auch dem 75. Jahrestag der Luftbrücke, die beide im Juni 1948 begannen.
Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Quellen der filmographischen Angaben: Filmlänge, Film- und Bildformat, Uraufführung: https://www.filmportal.de/film/engel-aus-eisen_df2e42cce7994096aa0501cf80a7c3ca (besucht am 31.5.2023). Erstverleih: Pressematerial des Verleihs. Alle anderen Angaben: Originalvor- und -abspann (dort und im Pressematerial Ulrich Wesselmann „Ullrich“ geschrieben, Hanns Zischler „Hans“).
Photos: Deutsche Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen.