Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)

Rarität des Monats Juli 2025

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeden Monat eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Am 7. Juli 2025 (Montag) um 17.30 Uhr läuft (mit einer Einführung):



Großstadtmelodie

D 1942/1943 – 108 Min. (2970 m) – 35 mm (1:1,33) – Schwarzweiß

Regie: Wolfgang Liebeneiner. Drehbuch: Wolfgang Liebeneiner (Mit­arbeit: Géza von Cziffra, Astrid von dem Busche, Idee: Else Feldbinder). Kamera: Werner Pindter (Atelieraufnahmen), Richard Angst (Außenaufnahmen), Leo de Laforgue (Außenaufnahmen). Musik und musikalische Leitung: Werner Bochmann. Berliner Lied: Rudolf Perak. Ballettmusik: Michael Jary. Bauten: Karl Weber, Hermann Asmus. Kostüme: Bessie Becker. Schnitt: Marte Rau. Ton: Gustav Bellers, Werner Rühland. Choreographie: Lizzie Maudrik. Regieassistenz: Hilde Vissering. Standphotos: Werner Brochmann. Aufnahmeleitung: Heinz Fiebig, Georg Kroschel.

Darsteller: Hilde Krahl (Renate Heiberg), Werner Hinz (Dr. Rolf Bergmann), Karl John (Klaus Nolte), Viola Zarell (Viola), Hilde Weissner (Modeschöpferin Frau Hesse), Will Dohm (Dr. Pauske), Otto Graf (Dr. Werner), Paul Henckels (Verlagsdirektor Heinze), Marlies Bieneck (Fräulein Brandt), Inge Weigand (Fräulein Gerti), Clemens Hasse (Tielke), Peter Mosbacher (Orff), Vera Comployer (Frau Moosbrugger), Elfi Beyer (Vroni Huber), Josef Eichheim (Alois Huber), Ditta Oesch (Anni), Irmgard Hoffmann (Frau Tupfer), Ilse Fürstenberg (Berlinerin), Günter Sabek (Florian Tupfer), Horst Lommer (Berliner), Beppo Brem (Geldbriefträger), Curt Ackermann (Revuedirektor), Erwin Biegel (Revueintendant), Käthe Bierkowski (Frau Stirner), Ernst Dernburg (Herr Stirner), Eva Bluth (Mutter mit Karin), Gerhard Dammann (Lkw-Fahrer), Liesel Eckhardt (Dienstmädchen bei Dr. Pauske), Peter Elsholtz (Buckel), Angelo Ferrari (ausländischer Berichterstatter bei der Revueprobe), Günther Ballier (1. Berliner an der Straßenbahnhaltestelle), Walter Gross (2. Berliner an der Straßenbahnhaltestelle), Kurt Mikulski (3. Berliner an der Straßenbahnhaltestelle), Friedel Heitzmann (Schriftleiterin aus Stuttgart), Melanie Horeschovsky (Pensionsinhaberin Frau Krauthofer), Wera Schultz (Zimmermädchen der Pension), Ursula Klinder (Fräulein Kindler), Marlise Ludwig (Frau Pauske), Heinz Brilloff (1. badender Reporter), Wolfram Pokorny (2. badender Reporter), Walter Steinweg (3. badender Reporter), Karl Rathgeb (Kiebitz), Werner Stock (Heinzelmann), Heinz Baur (Velten), Willi Rose (Polizist im Tiergarten), Werner Schott (Herr Petersen), Heinrich Schroth (alter Herr mit Enkelkind), Otto Stoeckel (Dr. Springer), Gerda Maria Terno (Mutter mit Kind), Franz Weber (Direktor einer Fotoagentur), Eduard Wenck (Portier), Maria Zidek (Dr. Bergmanns Sekretärin), Ilse Fürstenau (Berlinerin), Franz Dombrowski (Verkehrspolizist am Potsdamer Platz), Ernst Stimmel (Herr Albrecht), Curt Lukas (Herr Ullrich), Charlotte Witthauer (Telephonistin im Flughafenhotel), Rudolf Günther Wagner (Bildreporter bei der Revue-Probe), Käte Merk (junge Frau am Würstchenstand), Kurt Hinz (schwäbischer Fernfahrer), Johannes Heesters (Star der Revue), Manon Ehrfur (Solotänzerin), Rolf Jahnke (1. Solotänzer), Bernhard Wosien (2. Solotänzer), Friedrich Maurer, Karl Morvilius, Otto Mownstaedt, Erik Radolf, Just Scheu.

Produktion: Berlin-Film GmbH (Herstellungsgruppe Heinrich Jonen). Produktions- und Herstellungsleitung: Heinrich Jonen.

Dreharbeiten: 2. August 1942 bis März 1943.

Erstverleih: Deutsche Filmvertriebs GmbH.

Uraufführung: 4. Oktober 1943, Berlin, Gloria-Palast und Palladium.


Berlin! Das ist das Sehnsuchtsziel der jungen Photographin Renate. Als in ihrem Heimatstädtchen Wasserburg am Inn ein prominenter Flieger notlanden muß, sie dies zufällig im Bild festhalten kann und die auflagenstarke „Berliner Illustrierte“ die Aufnahmen sehr gern abdruckt, scheint sich Renates Traum zu erfüllen. Doch natürlich ist es für das Landei schwerer als gedacht, sich im Trubel der Viermillionen­stadt zu behaupten, trotz des Beistands eines gewieften Kollegen.

Geschaffen von Wolfgang Liebeneiner, der kein Nazi war, aber sich von den Nazis vielfältig einspannen ließ, ist „Großstadtmelodie“ ideologisch bemerkenswert, weil er einer­seits das Treiben in der unangefochtenen, alle anderen deutschen Städte überstrah­lenden Metropole Berlin feiert, das freilich im nationalsozialistischen Sinne „gesäu­bert“ worden ist: Vorgeführt werden Arbeit, Sport und (Hoch-) Kultur, selbst das Revue­theater erscheint als blitzsauberer Ort ehrbaren Schaffens. Das Großstadt­leben ist faszinierend, aber gebändigt, womit die Angst vor der Moderne und ihrer Unübersichtlichkeit und Unsicherheit bedient wird – bis heute eine Triebfeder rech­ten Denkens und rechter Politik. Andererseits erscheint Berlin (wohlweislich wurde die Handlung diskret auf die Vorkriegszeit datiert) nichtsdestoweniger als Ort, an dem man seine Träume und damit auch sich selbst verwirklichen kann, und dies sogar als Frau unter dem NS-Regime: Renate empfiehlt ihrem Verehrer im heimatlichen Wasser­burg, statt ihrer doch lieber ihre Schwester zu heiraten, und verschwendet fortan kaum mehr einen Gedanken an Ehe und Fortpflanzung. Die Beziehung zu einem Autoren droht an beider beruflichem Engagement zu schei­tern und daran, daß dem Mann Renates Selbständigkeit mißfällt. Von gemeinsamen Kindern ist die Rede nur kurz in der Schlußsequenz, die wie ein Epilog wirkt, der der Kon­vention (und womöglich der Zensur) geschuldet ist.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde „Großstadtmelodie“ lange nur in einer Fassung gezeigt, aus der jeder Bezug zur Zeit der Entstehung und Handlung des Films getilgt worden war, also jedes „Heil Hitler“ und jedes Hakenkreuz (Dinge, die nur selten in Spielfilmen aus der NS-Zeit auftauchten). Mit dieser falsch verstandenen „Entnazifizierung“ wurde seine Herkunft Films verschleiert.

Mit mehr als 28 Millionen Zuschauern war „Großstadtmelodie“ in der Saison 1943/1944 der dritterfolgreichste Film in den Kinos des Deutschen Reichs. Dies vielleicht auch, weil die zahlreichen Ansichten der äußerlich noch weitgehend intakten Stadt nicht erst in der Nachkriegszeit dokumentarischen und nostalgischen Wert besaßen: 1942/1943 entstanden, feierte „Großstadtmelodie“ ein Berlin, das es zu dieser Zeit schon nicht mehr gab, und zwar nicht nur durch den Terror der Nazis. Auch war nach der systematischen Zerstörung Hamburgs durch die Alliierten und ersten schwe­ren Luftangriffen auf die Reichshauptstadt im Spätsommer 1943 die Evakuierung aller Berliner angeordnet worden, die nicht unbedingt in der Stadt bleiben mußten. Insgesamt verlor Berlin durch den Zweiten Weltkrieg gut eine Million Einwohner – ein Aderlaß, der bis heute nicht ausgeglichen worden ist.

Wenige Wochen nach der Uraufführung, die Anfang Oktober 1943 im Gloria-Palast an der Gedächtniskirche stattfand, setzte mit der von den Briten „Battle of Berlin“ betitelten Serie schwerer Luftangriffe auch die äußere Zerstörung der Stadt ein.

Einen weiteren Film zum Thema Darstellung des Berlins der damaligen Gegenwart im Spielfilm der NS-Diktatur, „Zwei in einer großen Stadt“, präsentieren wir nochmals am Montag, 21. Juli 2025 um 17.30 Uhr im Cosima-Filmtheater.

 

Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.

Mehr zu diesem Film hier, hier und hier.



Nur einem Mann mit besonderem Takt und einem ausgeprägten Sinn für Rhythmus und Bildmusik, wie Wolfgang Liebeneiner, konnte es gelingen, die Großstadtmelodie zu einer symphonischen Einheit zusammenzuzwingen.  

Werner Fiedler, Deutsche Allgemeine Zeitung vom 5. Oktober 1943


 



 

Quellen der filmographischen Angaben: https://www.filmportal.de/film/grossstadtmelodie_7505eba74e814554b121eb91c2452525 (zuletzt besucht am 17.6.2025).

Photos: Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung.