Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)

Rarität des Monats Juli 2024

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeden Monat eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Am 2. Juli 2024 (und damit ausnahmsweise erst am Dienstag) um 17.30 Uhr läuft (mit einer Einführung)



Die Ratten

BRD 1955 – 97 Min. (2659 m) – 35 mm (1:1,33) – Schwarzweiß

Regie: Robert Siodmak. Nach dem Bühnenwerk von Gerhart Hauptmann, für den Film bearbeitet von Jochen Huth. Musik: Werner Eisbrenner. Walzer „Gemütlichkeit“ von Fritz Rotter. Es singt Edith Schollwer. Bild: Göran Strindberg. Bauten: Rolf Zehetbauer. Schnitt: Ira Oberberg, Klaus Eckstein. Ton: Clemens Tütsch. Kameraführung: Hugo Schott. Kostümberatung: Maria Brauner. Regieassistenz: Hans Joachim Wiedermann. Aufnahmeleitung: Heinz Götze, Alfred Arbeiter.

Darsteller: Maria Schell, Curt Jürgens, Heidemarie Hatheyer, Gustav Knuth, Ilse Steppat, Fritz Rémond, Lou Seitz, Barbara Rost, Carl Hellmer, Hans Stiebner, Hans Bergmann, Erich Dunskus, Carl de Vogt, Manfred Meurer u.v.a.

Eine CCC-Film Artur Brauner Produktion. Produktionsleitung: Peter Wehrand.

Der Film wurde in den CCC-Studios in Berlin-Spandau hergestellt.

Erstverleih: Herzog.

Uraufführung: 28. Juni 1955, Berlin, Internationale Filmfestspiele.

Kinostart: 6. Juli 1955.

 

 

Wollte das Kino der Adenauer-Ära anspruchsvoll werden, griff es gern auf renommierte Literatur zurück. Zu den dabei bevorzugten Dichtern gehörte Gerhart Hauptmann, obwohl dessen große Zeit bereits in den Jahrzehnten um 1900 gelegen hatte (1912 war ihm der Nobelpreis verliehen worden).

Sein Drama „Die Ratten“, bezeichnet als „Berliner Tragikomödie“, wurde 1911 uraufgeführt und zehn Jahre später als eines der ersten Hauptmann-Stücke für das Kino adaptiert. 1955 entstand die vorliegende Version, die der renommierte Autor Jochen Huth in die damalige Gegenwart verlegt und dabei die Figur der Pauline Karka (wie sie hier heißt) stärker in den Mittelpunkt gerückt hatte.

Die junge schwangere ledige Frau, die hier völlig mittellos nach Berlin kommt, erscheint so nicht nur als Spielball der Interessen ihrer Umgebung, allen voran der (im Film nun wohlhabenden) Frau John: Seit langem vergeblich auf Nach­wuchs hoffend, weil sie glaubt, nur so ihren Mann weiterhin an sich binden zu können, schlägt diese der mittellosen Pauline vor, deren Kind als ihres aus­zugeben. Pauline stimmt zu, doch dann erwacht in ihr die Mutterliebe, und die Tragödie nimmt ihren Lauf.

Pauline zur zentralen Figur zu machen, entsprach zweifellos auch den (kommer­ziellen) Interessen des Produzenten Artur Brauner, wurde diese doch hier von Maria Schell verkörpert. Einer der größten Stars des Kinos der Adenauer-Ära, lieferte sie in diesem Film eine bemerkenswerte schauspielerische Lei­stung ab, an der Maria Schells intensive Darstellung ebenso beeindruckt wie ihr Mut zur Häßlichkeit.

Mit „Die Ratten“ inszenierte Robert Siodmak zum ersten Mal, seit er 1933 vor den Nazis hatte flüchten müssen, wieder einen deutschen Film. In Hollywood einer der wichtigsten Vertreter des Film noir, ließ er sich auch bei dieser Produktion, bei der der prominente schwedische Kameramann Göran Strindberg für die Photographie verantwortlich zeichnete, von dieser Stilrichtung inspirieren (Strindberg erhielt 1955 den Bundesfilmpreis für die beste Kamera­arbeit).

„Die Ratten“ erlebte seine Uraufführung auf der Berlinale 1955 und wurde dort (letztmals durch das Publikum) mit dem Goldenen Bären aus­gezeichnet.


Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.

Mehr zu diesem Film hier und hier.


Maria Schell haben wir noch so häßlich und noch nie so großartig gesehen.

Karin Thimm, Abendzeitung vom 30. Juni 1955


 

 





Quellen der filmographischen Angaben: Filmlänge, Film- und Bildformat, Uraufführung, Kinostart: https://www.filmportal.de/film/die-ratten_72585fcf045f43c6a6ffa7231081597a (besucht am 19.6.2024). Alle anderen Angaben: Originalvorspann.

Photos: DFF.