Rarität des Monats Juli 2023
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Vom 10.-12. Juli 2023 jeweils um 19 Uhr (am 10. mit einer Einführung) lief
Ware für Katalonien
DDR 1958/1959 – 99 Min. (2710 m) – 35 mm (1:1,37) – Schwarzweiß
Regie: Richard Groschopp. Buch: Lothar Creutz, Carl Andrießen, Richard Groschopp. Dramaturgie: Willi Brückner. Kamera: Eugen Klagemann. Musik: Hans-Hendrik Wehding. Bauten: Erich Zander. Bauausführung: Paul Lehmann. Kostüme: Helga Scherff. Masken: Horst Schulze, Liane Wilk. Requisite: Fritz Stemmer. Ton: Max Sandler. Schnitt: Helga Emmrich. Zweite Kamera: Karl Drömmer. Regieassistenz: Gerda Eggers-Ebert. Kameraassistenz: Herbert Wagner. Aufnahmeleitung: Heinz Ullrich, Wolfgang Bertram.
Darsteller: Eva-Maria Hagen (Marion Stöckel), Hanna Rimkus (Sabine Falk), Hartmut Reck (Unterleutnant Schellenberg), Heinz-Dieter Knaup (Leutnant Hasselbach), Fritz Diez (Hauptmann Germer), Ivan Malré (Bob Georgi), Wilfried Ortmann (Hasso Teschendorf), Loni Michelis (Johanna Stöckel), Albert Garbe (Bachmann), Gerhard Frei (Zement-Otto), Herwart Grosse (Hauptmann Polland), Carola Braunbock (Charlotte Gansauge), Norbert Christian (Sigi), Jean Brahn (Nappo), Gerd Biewer (Teniemte Petro Lopez), Herbert Grünbaum (Herr Rösli), Gerd M. Henneberg (Geschäftsführer), Walter Jupé (Ausweis-Erwin), Peter Kiwitt (Eskamillo Lehmann), Charlotte Krulle (Frau Neubert), Manfred Krug (Halbstarker), Marga Legal (Haushälterin), Walter Lendrich (Neubert), Heinz Scholz (Ferdinand Stöckel), Hans-Robert Wille (Bubi), Marianne Wünscher (Angestellte in Wechselstube), Gerlind Ahnert (Angestellte bei Polland), Rudolf Christoph (ABV), Werner Dissel (Portier im Hotel „Excelsior“), Werner Lierck (LKW-Fahrer), Hanna Rieger (Frau in Wielandstraße), Paul Streckfuß (Verkäufer), Peter Sturm (Mr. Dupont), Theresia Wider (Gerzi), Johannes Maus (Holzapfel), Hubert Hoelzke (Verkäufer), Erich Fritze (Verkehrspolizist), Rudolf Napp (Kriminalbeamter), Dom de Beern (Einsatzleiter), Wolf Lucas (LKW-Fahrer), Horst Buder (Kellnerlehrling), Paul Funk (Portier), Friedrich Teitge (Prokurist bei Rösli), Joachim Konrad (Streifenführer), Günter Margo (Spanischer Zollbeamter), Herbert Mewes-Conti (Hotelgast), Ralph J. Boettner (Angestellter in Wechselstube), Hans-Dieter Schlegel (Diensthabender der VP), Gerhard Lah (VP-Leutnant), Hildegard Röder (Angestellte des AZKW), Peter-Paul Goes (ABV), Waldemar Jacobi (Laubenpieper), Anneliese Reppel (Ältere Frau), Ellen-Jutta Poller (Serviererin), Renate Tschenett (Mannequin Daisy), Horst Torka (Angestellter des AZKW), Margot Ebert (Friseuse), Eva-Maria Klink (Angestellte bei Rösli).
Produktion: DEFA-Studio für Spielfilme. Produktionsleitung: Willi Teichmann.
Arbeitstitel: Der Fall Schützendorf.
Erstverleih: Progress.
Premiere: 6. März 1959, Leipzig, Capitol.
Berliner Erstaufführung: 13. März 1959, Colosseum.
Wird versucht, weltliche Heilslehren – womöglich sogar mit rabiaten Mitteln – in die Tat umzusetzen, stellt sich oft schnell ein Problem: Der versprochene paradiesische Zustand tritt nicht ein, und da die Ideologie ja nicht falsch sein kann, müssen andere Schuldige gesucht werden.
In der DDR der fünfziger Jahre, wo die Entwicklung der Wirtschaft und damit auch des Wohlstands rasch hinter der in Westdeutschland zurückblieb, zählten zu den liebsten Sündenböcken Schmuggler: Der Propaganda zufolge schleppten sie insbesondere so viele Erzeugnisse der optischen Industrie (aber auch Eier und Wurst) in den Westen, daß der Sozialismus nicht gesetzmäßig aufblühen konnte und es im SED-Staat immer noch viele Versorgungsmängel gab.
Bis zum Mauerbau gehörten Berlin-Filme, in denen die Teilung der Stadt thematisiert wurde, zum festen Produktionsprogramm der DEFA. Wie über die offene Sektorengrenze angeblich der Osten ausgeplündert wurde, war dabei ein besonders beliebtes Thema – Propaganda, die bis heute verfängt, als ob die DDR den Personen- und Warenverkehr über die Demarkationslinie nicht schon vor dem Mauerbau kontrolliert hätte.
Ein Beispiel für solche Spielfilme entstand 1958/1959 mit „Ware für Katalonien“, wobei der Schmuggel noch einmal besonders verwerflich erscheint, da die Waren aus „volkseigener“ Produktion auch noch im damals faschistisch regierten Spanien landen sollten.
Tatsächlich folgte der Film einem authentischen Fall – was jedoch für den Regisseur und Co-Drehbuchautor Richard Groschopp ungeahnte Folgen zeitigte: In der Realität konnte der „Großschieber“ Hasso Schützendorf (im Film „Teschendorf“) nämlich nicht nur nicht dingfest gemacht werden. Er fühlte sich sogar geehrt, daß die DEFA sein „Schaffen“ auf diese Weise würdigte und verewigte. Schlimmer noch: Über Jahrzehnte hinweg, bis zu dessen Tod im Jahre 1996 (mit neunzig Jahren), versuchte Schützendorf immer wieder, mit Groschopp Kontakt aufzunehmen und lud diesen unter anderem nach Mallorca ein, wo er sich – nicht zuletzt dank seiner Schmugglertätigkeit – eine beachtliche Existenz als großer Autoverleiher aufgebaut hatte und gern als Playboy von sich reden machte. Ein persönliches Treffen kam aber auch nach dem Zusammenbruch der SED-Diktatur nicht zustande.
Und wie so häufig, verfehlte auch dieser gegen den Westen gerichtete DEFA-Film (dessen Stoff im selben Jahr 1959 auch als Buch erschien) selbst auf wichtige Darsteller seine Wirkung: Hartmut Reck, hier als wackerer Volkspolizei-Unterleutnant Schellenberg zu sehen, verließ die DDR noch 1959 und setzte seine Karriere in der Bundesrepublik erfolgreich fort. Der Kameramann Eugen Klagemann und der ebenso renommierte Szenenbildner Erich Zander hingegen waren bereits West-Berliner; da sie nicht in die DDR ziehen wollten, verzichtete die DEFA nach dem Mauerbau auf ihre Mitarbeit.
Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Mehr zu diesem Film hier und hier.
Quellen der filmographischen Angaben: Filmlänge, Filmformat, Arbeitstitel, Dramaturgie, Requisite, Aufnahmeleiter Wolfgang Bertram, Darsteller ab Gerlind Ahnert, sämtliche Rollenzuordnungen: https://www.defa-stiftung.de/filme/filme-suchen/ware-fuer-katalonien/ (besucht am 27.6.2023). Premiere: Ralf Schenk (Red.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg – DEFA-Spielfilme 1946-92, Berlin: Henschel 1994, S. 394. Berliner Erstaufführung: Berliner Zeitung vom 11.3.1959. Alle anderen Angaben: Originalvorspann (Carl Andrießen dort „Andriessen“ geschrieben).
Photos: DEFA-Stiftung/Waltraut Pathenheimer.