Rarität des Monats Januar 2025
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeden Monat eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Am 6. Januar 2025 (Montag) um 17.30 Uhr läuft (mit einer Einführung)
Lissy
DDR 1957 – 89 Min. (2425 m) – 35 mm (1:1,37) – Schwarzweiß
Regie: Konrad Wolf. Drehbuch: Alex Wedding (d.i. Grete Weiskopf), Konrad Wolf. Kamera: Werner Bergmann, Hans Heinrich. Schnitt: Lena Neumann. Dramaturg: Hans-Joachim Wallstein. Szenenbild: Gerhard Hellwig. Kostüme: Elli-Charlotte Löffler. Musik: Joachim Werzlau.
Darsteller (in alphabetischer Reihenfolge): Gerhard Bienert, Horst Drinda, Horst Friedrich, Christa Gottschalk, Annemarie Hase, Gerd Michael Henneberg, Else Koren, Hans-Peter Minetti, Kurt Oligmüller, Raimund Schelcher, Willi Schwabe, Otto Stübler, Sonja Sutter, Else Wolz.
Sprecher: Mathilde Danegger.
Produktion: DEFA-Studio für Spielfilme.
Uraufführung: 30. Mai 1957, Berlin, Babylon und Freiluftbühne Bürgerpark Pankow.
Erstverleih: Progress.
Berlin 1932: Als sich die junge Lissy, Arbeiterkind aus dem Wedding, gegen die
Zudringlichkeiten ihres Chefs wehrt, verliert sie ihre Stellung. Daß sie schwanger
ist, erschwert noch ihre Lage, doch recht kurzentschlossen heiratet sie ihren
Verlobten. Als auch er arbeitslos wird, schließt er sich in seiner Verzweiflung
den Nazis an. Nach der Machtübergabe an diese macht er schnell Karriere in
der SA, was der jungen Frau einen nie gekannten Wohlstand beschert. Doch
nicht nur am Schicksal ihrer Verwandten und ihrer kommunistischen Freunde
muß Lissy bald den wahren Charakter des Nationalsozialismus erkennen.
Der Roman „Die Versuchung“ des kommunistischen Schriftstellers F.C. Weiskopf (1900-1955) erschien 1937 in Zürich. 1954 wurde das Buch unter dem Titel
„Lissy oder Die Versuchung“ wiederaufgelegt. Das Drehbuch zu der 1957 uraufgeführten Filmadaption schrieb der junge Konrad Wolf zusammen mit Alex
Wedding alias Grete Weiskopf, der Witwe (und Kollegin) des Schriftstellers.
Für Wolf war es der dritte abendfüllende Film und erst der zweite, in dem er eine
Frage behandelte, die ihn persönlich interessierte: Wie so viele Deutsche auf
die Verlockungen und Versprechungen der Nazis hereinfallen konnten,
mithin eine Auseinandersetzung des Flüchtlingskindes Wolf, das den Großteil
seiner Jugend in der Sowjetunion verbracht hatte, mit der alten Heimat.
Mit seiner sorgfältigen Gestaltung und dem Verzicht auf laute Töne und
simple Botschaften ist „Lissy“ bereits ein in vielem typischer Konrad-Wolf
Film. Nicht nur zeitgenössische Kritiker fühlten sich an den italienischen Neorealismus erinnert. Für die Photographie verantwortlich zeichnete Werner Bergmann, wie dann bei fast allen Filmen des 1982 verstorbenen Wolf.
Wir präsentieren „Lissy“ zum Beginn des Konrad-Wolf-Jahrs 2025, in dem
einer der bedeutendsten Filmemacher der DDR hundert Jahre alt geworden wäre. „Lissy“ ist ein bemerkenswerter, guter Spielfilm, der zwar in der Literatur erwähnt und gelobt, aber nur selten gezeigt wird: Zu sehr überstrahlt ihn der Ruhm späterer Meisterwerke Konrad Wolfs wie „Sterne“, „Der geteilte Himmel“, „Ich war neunzehn“ oder „Solo Sunny“, auf die sich in der Regel die Aufmerksamkeit konzentriert.
Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Mehr zu diesem Film hier und hier.
Filme aus den Jahren um den Ausbruch
des Dritten Reiches (…) gab es schon
mehrfach. Einen Film, der ganz von der
menschlichen Substanz seiner Handlung
her so tief in das Wesen jener Zeit des
Unheils eindringt, kaum.
Hans Ulrich Eylau, Berliner Zeitung vom 2. Juni 1957
Quellen der filmographischen Angaben: Uraufführung: Berliner Zeitung vom 29.5.1957. Länge, Filmformat, Produktionsfirma: https://www.defa-stiftung.de/filme/filme-suchen/lissy/ (besucht am 22.12.2024). Alle anderen Angaben: DVD-Abspann.
Photo: DEFA-Stiftung/Rudolf Meister.