Rarität des Monats Januar 2015
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Vom 8.-14. Januar 2015 um 18 Uhr (am 12. Januar in Anwesenheit von Helga Reidemeister) lief
DrehOrt Berlin
BRD 1986/1987 – 113 Min. (3100 m) – 35 mm (1:1,33) – Farbe
Regie: Helga Reidemeister. Musik: Andi Brauer. Kamera: Lars-Peter Barthel. Kameraassistenz: Régis N. Bonvillain, Judith Kaufmann. Ton: Katharina Rosa. Schnitt: Dörte Völz. Schnittassistenz: Susanne Peuscher. Ton-Schnitt: Clarissa Ambach. Negativ-Schnitt: Elke Granke. Mischung: Hans-Dieter Schwarz. Trick: Herbert Schramm, Thomas Wilk. Dank für Mitarbeit: Margit Eschenbach, Johann Feindt, Amelie Glienke, Bernd Holtfreter, Jürgen Holtfreter, Ernst Johnsdorf, Marion Kaiser, Jutta von Kemnitz, Heide Kortwich, Gunther Kortwich, Rita Leska, Sabine Ludwig, Gabi Niemeyer, Robert Paris, Rosa Reidemeister. Filmgeschäftsführung: Jörg Giencke. Aufnahmeleitung Berlin (DDR): Konstantin Münz.
Eine Produktion der Journal Film Klaus Volkenborn KG in Co-Produktion mit dem Sender Freies Berlin und dem Westdeutschen Rundfunk. Produktionsleitung: Thomas Dierks. Redaktion: Christa Vogel, Alexander Wesemann. Produzent: Klaus Volkenborn.
Mit Mathilde Schulze, Anni Biskup, Waltraut Klätke, Wolfgang Klätke, Irene Bruder, Leopold Reidemeister, Andreas Scheel, Alex Harb, Lorenz Weber, Sissi, Jürgen Eger, Hans Möritz.
Erstverleih: Basis.
Projektion einer 35-mm-Kinofilm-Kopie.
Ost oder West? – Mancher Kritiker zeigte sich über „DrehOrt Berlin“ irritiert: Gut ein Dutzend Menschen läßt Helga Reidemeister in ihrem Dokumentarfilm, der auf der Berlinale 1987 uraufgeführt wurde, zu Wort kommen – doch bei vielen ist nicht sogleich klar, in welchem Teil der damals noch durch die Mauer zerrissenen Stadt sie leben. Und von oben, in den zahlreichen Panoramabildern, die von Hügeln und hohen Gebäuden gemacht wurden, erschien Berlin – dieser Dreh- und Angelpunkt nationaler wie internationaler Geschichte, an dem die Teilung der Welt so deutlich wurde, wie kaum irgendwo sonst – ohnehin als eine einzige Stadt.
Immer wieder taucht in den Interviews mit Berlinern auf beiden Seiten der Mauer über Lebenserfahrungen, die Gegenwart und ein klein wenig auch Zukunftshoffnungen die Frage nach der Freiheit auf – dem im Kalten Krieg vom Westen so gern beschworenen Begriff –, und was man darunter versteht. Die aus verschiedenen Gesellschaftsschichten stammenden Gesprächspartner werden nicht vorgestellt und erscheinen so als soziale Archetypen, zumal einige von ihnen teils gewagte Ansichten vertreten. Bis auf ein paar einführende Worte enthält sich Helga Reidemeister eines gesprochenen Kommentars. Aber man darf wohl vermuten, daß sich ihr Standpunkt widerspiegelt darin, wieviel Raum sie den unterschiedlichen Meinungen in ihrem Film einräumt: Von Mißständen im Westen und den bösen Amis, „die uns nicht aus ihren Klauen lassen werden“, ist relativ viel die Rede. Von Problemen im Osten eher am Rand. Und sind nicht die Russen sehr friedfertig und freundlich? Und alle, die ihnen mißtrauen, irgendwie zurückgeblieben?
Man mag in „DrehOrt Berlin“ eine allzu unkritische Haltung gegenüber der DDR erkennen, wie sie für West-Linke typisch war. Doch was als Indifferenz erscheint, kann auch als Subversion verstanden werden: 1987 war es noch frech, sogar gewagt (gerade in sich progressiv wähnenden Kreisen), Berlin so als Einheit zu betrachten und darzustellen, wie es hier geschieht. Helga Reidemeister beschwört Gemeinsamkeiten zwischen Ost und West und erinnert an ein vereintes Berlin. Es entstand ein – erst recht mehr als 25 Jahre später – interessantes Dokument historischer Ansichten einer Stadt und Ansichten aus einer Stadt.
Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Weitere Informationen hier.
Bitte beachten Sie auch die weiteren Veranstaltungen zum 75. Geburtstag von Helga Reidemeister: Am 18. Januar 2015 um 16 Uhr in der Akademie der Künste (Hanseatenweg) die Premiere von Helga Reidemeisters neuestem Film „Splitter Afghanistan“. Am 26. Januar 2015 um 19 Uhr im Arsenal, ebenfalls in Anwesenheit der Regisseurin, die Vorstellung der digitalrestaurierten, unzensierten Fassung ihres wichtigen Werks „Von wegen ‚Schicksal’“ von 1979. Eine umfassende Helga-Reidemeister-Retrospektive bietet das Bundesplatz-Kino an allen Sonntagen im Februar und März jeweils um 15.30 Uhr.
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J.G.
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Quellen der filmographischen Angaben: Filmformat, Filmlänge, Erstverleih: http://www.filmportal.de/film/drehort-berlin_f5e7ad12abbb43a896c15c3fc9181f68, besucht am 18.12.2014). Alle anderen Angaben: Originalabspann.
Bilder: Basis-Film.