Rarität des Monats Februar 2022
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Am 14. und 15. Februar 2022 jeweils um 18 Uhr lief
Florentiner 73
DDR 1971/1972 – 92 Min. (2540 m) – 35 mm (1:1,33) – Schwarzweiß
Regie, Drehbuch: Klaus Gendries. Szenarium: Kurt Belicke, frei nach der Erzählung „Das Durchgangszimmer“ von Renate Holland-Moritz. Dramaturg: Hermann Rodigast. Kamera: Hans-Jürgen Reinecke. Szenenbild: Paul Lehmann. Bauausführung: Marlene Willmann. Musik: Rolf Kuhl. Kostüm: Dorit Gründel. Maske: Sonja Urbanek, Monika Mörke, Monika Heinrich. Schnitt: Margrit Brusendorff. Ton: Rosemarie Linde. Regieassistenz: Bianca Petzold, Ulrich Teschner. Filmphotograph: Michael Jüttersonke, Horst Blümel. Aufnahmeleitung: Heinz Ullrich, Werner Fritzsche. Produktionsleitung: Anni von Zieten.
Darsteller: Edda Dentges (Brigitte), Agnes Kraus (Frau Klucke), Steffie Spira (Frau Knatter), Friedrich Richter (Hugo), Anne Wollner (Helga Riechert), Günter Sonnenberg (Sohni Hartmann), Gudrun Ritter (Frau Regler), Arnim Mühlstädt (Herr Regler), Hertha Thiele (Frau Hartmann), Erich Petraschk (Herr Hartmann), Norbert Speer (Wolfgang Engel), Liselott Baumgarten (Frau Engel), Jessy Rameik (Fräulein Maass), Berthold Schulze (Herr Leonhardt), Gerd E. Schäfer (Verkäufer), Carola Braunbock, Trude Brentina, Hans G. Brown, Anne Fröhlich, Wilhelm Gröhl, Marianne Kiefer, Hilde Kneip, Wolfgang-Heinz Penz, Maria Rouvel, Günter Stahnke, Ernst Steiner, die Kinder Henryk, Jörg, Oliver u.a.
Ein Film des Deutschen Fernsehfunks, hergestellt im DEFA Studio für Spielfilme.
Uraufführung (Erstausstrahlung): 6. Februar 1972, Fernsehen der DDR, 1. Programm, 20.35 Uhr.
Kinostart: 17. Mai 1972.
Jugendprädikat: P 14.
Erstverleih: Progress.
Die Wohnungsnot war eines der größten Probleme der DDR. Trotz der enormen Anstrengungen, die vor allem in den siebziger und achtziger Jahren diesbezüglich unternommen wurden, konnte es bekanntlich bis zum Ende der SED-Diktatur nicht gelöst werden. Entsprechend heikel war die Behandlung dieses Themas im Spielfilm.
Auf sehr gelungene Weise geschah dies in dieser Fernsehproduktion: Nämlich im Gewand einer volkstümlichen, im Ost-Berliner Alltag angesiedelten Komödie, die mit genauer Milieuzeichnung das pralle Leben in einer Pankower Mietskaserne schildert. Dort landet eine junge, schwangere, ledige Frau (die den Vater ihres Kindes nicht bloß deshalb heiraten will, weil „sich das so gehört“) nach verzweifelter Wohnungssuche. Zwar hat das möblierte Zimmer, das sie findet, einen Schönheitsfehler, doch die Vermieterin wird ihr unverhofft zur Ersatzmutter.
Die letztgenannte Rolle bescherte Agnes Kraus, nachdem sie viele Jahre lang vor allem am Berliner Ensemble gewirkt und in kleinen und kleinsten Rollen vor der Kamera gestanden hatte, mit Anfang sechzig den endgültigen Karrieredurchbruch. Rasch avancierte sie zu einer der bedeutendsten Berliner Volksschauspielerinnen aller Zeiten, deren Ruhm – da sie ihn vornehmlich dem Fernsehen zu verdanken hatte – auch in den Westteil der Stadt drang. Daß Agnes Kraus ihn vor allem auf ihrer Rolle in „Florentiner 73“ aufbauen konnte, zeugt von ihrer Schauspielkunst um so mehr, als sie von ihrer Gestalt her überhaupt nicht der Beschreibung der Figur in der ebenfalls erfolgreichen Vorlage – einer Erzählung der legendären Filmkritikerin Renate Holland-Moritz – entsprach.
Angesichts des großen Zuspruchs, den der Film erhielt, lief er ab 19. Mai 1972 auch in den Kinos der DDR – in Berlin zunächst im Colosseum, dann bis Ende Oktober in vielen anderen Lichtspielhäusern. Im Juni erhielt das „Schöpferkollektiv“, vertreten durch Klaus Gendries, Kurt Belicke, Renate Holland-Moritz, den Dramaturgen Hermann Rodigast und Agnes Kraus, den Kunstpreis des FDGB. Und eine eigens fürs Fernsehen erdachte Fortsetzung, „Neues aus der Florentiner 73“, erlebte an einem denkbar prominenten Sendeplatz seine Uraufführung: Heiligabend 1974 um 20 Uhr.
Wir zeigen „Florentiner 73“ zum fünfzigjährigen Jubiläum der Erstausstrahlung, die dieser von der DEFA hergestellte Fernsehfilm am 6. Februar 1972 erlebte.
Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Mehr zu dem Film hier.
Quellen der filmographischen Angaben: Filmlänge, Bildformat, Jugendprädikat: Kino DDR Nr. 8/1972. Uraufführung: Berliner Zeitung vom 6.2.1972. Kinostart: Berliner Zeitung vom 17.5.1972 (in KIno DDR Nr. 7/1972 für den 26.5.1972 angekündigt). Alle anderen Angaben: Originalabspann.
Bild: DRA.