Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)

Rarität des Monats Dezember 2024

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeden Monat eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Am 2. Dezember 2024 (Montag) um 17.30 Uhr läuft (mit einer Einführung)



Wir Kellerkinder

BRD 1960 – 87 Min. – 35 mm (1:1,37) – Schwarzweiß

Regie: Jochen Wiedermann (d.i. Wolfgang Benno Bellenbaum). Story und Buch: Wolfgang Neuss. Dialoge: Herbert Kundler, Thomas Keck. Bild: Werner Lenz. Musik: Peter Sandloff. Schnitt: Walter von Bonhorst. Regieassistenz: Ruth Sanden. Kameraführung: Gert Neubelt.

Darsteller: Wolfgang Neuss, Karin Baal, Ingrid van Bergen, Jo Herbst, Wolfgang Gruner, Willi Rose, Hilde Sessak, Ralf Wolter, Klaus Becker, Dieter Behnke, Horst Braun, Eckart Dux, Inge Egger, Wilfried Frass, Jo Furtner, Wolfgang Gerhus, Friedrich Hartau, Heinz Holl, Thomas Keck, Kurt Lauermann, Bruno W. Pantel, Ethel Reschke, Joachim Röcker, Rudi Schmitt, Jochen Schröder, Günther Schwerkolt, Achim Strietzel, Rolf Ulrich, Herbert Weissbach, Paul Westermeier und Helmut Käutner, Eric Ode, Erik Schumann.

Produktion: Hans Oppenheimer Film GmbH & Co. KG. Herstellungsleitung: Hans Oppenheimer.

Uraufführung: 26. Juni 1960, Deutsches Fernsehen.

Kinostart: 6. Oktober 1960.

 

„In der Adenauer-Ära wurde über die NS-Vergangenheit kaum oder sogar überhaupt nicht gesprochen“ – dies gehört inzwischen zum Allgemein­wissen. In Wahrheit freilich handelt es sich um eine jener vielen Behauptungen, die einfach ungeprüft und unreflektiert nachgeplappert werden.

Ein eindrucksvolles Beispiel für die Auseinandersetzung mit dem National­sozia­lismus und den frühen Versuchen seiner „Bewältigung“ stellt Wolf­gang Neuss’ 1960 entstandene Satire „Wir Kellerkinder“ dar – die sich wiederum nicht nur auf eine Welle von Haken­kreuzschmierereien in der jungen Bundesrepublik bezieht, die seinerzeit international für Aufsehen sorgte. Auch spielt der Titel auf einen der damals (auch im Ausland) erfolgreichsten Spielfilme über die jüngste deutsche Ge­schich­te an: „Wir Wunderkinder“, Kurt Hoffmanns Adaption von Hugo Hartungs gleich­na­migem Roman, in dem Wolfgang Neuss (wie üblich mit seinem im Früh­jahr 1960 tödlich verunglückten Partner Wolfgang Müller) ebenfalls mitgewirkt hatte.

Im Laufe der fünfziger Jahre war der Wahl-Berliner zu einem der beliebtesten deutschen Kabarettisten Deutsch­lands ge­worden und wollte nun mehr spielen als komische Randfiguren. „Wir Kellerkinder“ war der erste abend­füllende Film, dem Neuss seinen Stempel aufdrücken konnte. Wie bei ihm üblich, macht die sich über rund dreißig Jahre erstreckende Handlung gerade durch ihre Absurditäten vergangene wie gegenwärtige Zustände besonders deutlich. Zur Seite standen Neuss die Dialogautoren Herbert Kundler und Tho­mas Keck sowie der Regiedebütant Jochen Wiedermann alias Wolfgang Bellenbaum.

Stark angefeindet wurde der Film seinerzeit allerdings nicht wegen seines Inhalts, sondern wegen der ungewöhnlichen Weise der Produktion und Distri­bution, die der Berliner Produzent Hans Oppenheimer gewählt hatte: „Wir Keller­kinder“ entstand unter wesentlicher Beteiligung des Fernsehens und er­lebte dort auch seine Uraufführung. In der anwachsenden Kinokrise wurde dies von den Filmtheatern als Affront betrachtet und führte zu Boykottbestrebun­gen.

Wir zeigen „Wir Kellerkinder“ am Vorabend des 101. Geburtstags des 1989 verstorbenen Wolfgang Neuss.


Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.

Mehr zu diesem Film hier und hier.



Mit diesem zeitkritischen Film hat (…) Wolfgang Neuß den Beweis dafür geliefert, daß es durchaus möglich ist, das Geschehen unserer jüngsten Vergangenheit auch im heiteren Unterhaltungsfilm gültig zu interpretieren, ohne es zu verfälschen oder zu vernied­lichen. Dem erfreulich unkonventionellen Film verleiht der überlegene Gebrauch kabarettistischer Mittel einen besonderen formalen Reiz.

Evangelische Filmgilde, Bester Film des Monats Dezember 1960





Quellen der filmographischen Angaben: Länge, Film- und Bildformat, Produktionsfirma, Kinostart: https://www.filmportal.de/film/wir-kellerkinder_ddac7670fe0d49fd83fa3f15cd930747 (besucht am 29.11.2024). Uraufführung: Hör zu. Alle anderen Angaben: Originalvorspann.

Photo: Hans-Oppenheimer-Film.