Rarität des Monats Dezember 2018
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Vom 10.-12. Dezember 2018 um 18 Uhr lief
Domino
BRD 1981/1982 – 115 Min. (3230 m) – 35 mm (1:1,66) – Schwarzweiß und Farbe
Regie, Buch: Thomas Brasch. Kamera: Konrad Kotowski. Musik: Christian Kunert, Thilo von Westernhagen. Schnitt: Tanja Schmidbauer. Ausstattung: Heidrun Brandt. Maske: Dörte Eben. Ton: Michael Eiler. Bühne/Licht: Alexander Juncker. Script: Heide Woicke. Regieassistenz: Susanne Schlaepfer. Kameraassistenz: Holger Thiel. Tonassistenz: Jochen Isfort. Schnittassistenz: Bettina Böhler. Aufnahmeleitung: Klaus Sungen. Kostüme: Christine Domkowsky. Mischung: Hans-Dieter Schwarz.
Darsteller: Katharina Thalbach (Lisa), Bernhard Wicki (Lehrter), Hans Zischler (Zollner), Anne Bennent (Andrea), Klaus Pohl (Brunke), Ilse Pagé (Frau Moll), Verena Peter (Vera), Andrea Plany (Olga), Manfred Karge (Kohlenpaul), Erich Will (Herr Moll), Julia Lindich (Hure), Barbara Adolph (Kipp), Ullrich Hass (Bote), Peter Brombacher (Macbeth).
Eine Gemeinschaftsproduktion von Zweites Deutsches Fernsehen und Argos-Film-Berlin, hergestellt in Zusammenarbeit mit Studio Hamburg Filmproduktion GmbH. Produktionsleitung: Raphael Bürger. Redaktion: Christoph Holch.
Erstverleih: Basis-Film.
Uraufführung: 12. Juni 1982.
Erstausstrahlung: 27. Dezember, ZDF.
Die 1980er Jahre waren eine fröhliche Zeit, in der alle viel „Spass“ hatten: Sie waren geprägt von postmoderner Ironie und Verspieltheit, New-Wave-Coolness, schrillen Neonfarben, und alle Frauen liefen ständig stark geschminkt herum, mit breiten Schulterpolstern und mit tiffigen Frisuren.
Wirklich? – Am Beispiel der Achtziger läßt sich besonders gut zeigen, wie das kollektive Gedächtnis geprägt wird von selektiver Erinnerung und dem, was Praktikantinnen mal eben schnell über eine bestimmte Zeit zusammengegoogelt haben und dann von anderen Medienleuten immer wieder nachgeplappert wird.
Wie düster Lebensgefühl und Zeitgeist zumindest im westlichen Teil Deutschlands in der ersten Hälfte der achtziger Jahre in Wahrheit waren, zeigt eindrucksvoll Thomas Braschs zweiter Spielfilm „Domino“: Im Winter 1981/82 entstanden in einem verschneiten West-Berlin, beschwört er beständig eine Krisen- und Endzeitstimmung, die damals von Intellektuellen, politisch Bewegten und jungen Leuten gern kultiviert wurde: Angesiedelt in den letzten Tagen des Jahres – also zum großen Teil „zwischen den Jahren“ – ist immer wieder davon die Rede, diese Weihnachten könnten die letzten sein, von kommendem Krieg und bereits begonnener Auflösung der vertrauten Ordnung, weshalb zur Bekämpfung der stetig wachsenden Zahl von Arbeitslosen nun radikale Maßnahmen angewandt werden.
Noch schneller und vollständiger löst sich in diesen Tagen das bisherige, so sicher und geregelt scheinende Leben der erfolgreichen jungen Schauspielerin Lisa (Katharina Thalbach) auf: Nachdem die alleinerziehende Mutter ihre Tochter zum Bahnhof Zoo gebracht hat, will sie eigentlich eine ruhige Zeit verbringen. Doch plötzlich kann sie ihre Wohnungstür nicht mehr öffnen – was nur der Beginn einer Reihe eigenartiger Ereignisse ist, zu denen auch seltsame Begegnungen gehören. Zudem erreicht sie überraschend das Angebot des berühmt-berüchtigten Regisseurs Lehrter (Bernhard Wicki): Im leerstehenden Hebbel-Theater möchte er, der von der deutschen Geschichte gebeutelt wurde und in mancher Hinsicht an ihr gescheitert ist, mit Lisa Goethes „Stella“ inszenieren. Vor Jahren hatte sich die Mimin dafür angeboten, doch nun trägt der Kontakt zu Lehrter wesentlich dazu bei, daß sie zunehmend den Halt verliert.
Heute ist der anspielungsreiche Film interessant auch wegen seiner vielen Alltagsbilder aus dem damaligen West-Berlin. Er wirkt um so verstörender, als er seine Geschichte einer über die Hauptfigur hereinbrechenden Identitäts- und Lebenskrise zwar mit surrealen Anklängen erzählt, aber ohne die mit solchen Stoffen meist verbundenen Versuche, die Realität magisch oder poetisch zu überhöhen. Auch gibt es immer wieder tragikomische Momente, und Brasch hat wichtige Figuren mit Bezügen zur Biographie ihrer Darsteller versehen.
Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Mehr zu dem Film hier, hier und hier.
Quellen der filmographischen Angaben: Film- und Bildformat, Filmlänge in Minuten: Pressemappe des Basis-Filmverleihs (http://www.basisfilm.de/basis_neu/pdf/pmdomin.pdf). Dort werden außerdem genannt: Tonassistenz: Hannes Bojahr. Bühne und Beleuchtung: André Belitzki, Peter Hoffmann. Materialassistenz: Michael Wiesweg, Judith Kaufmann. Produktionsfahrer: Sven Herrmann. Aufnahmeleitung: René Hennig, Arno Maaß. Herstellungsleitung: Claus Schmitt-Holldack. Christine Domkowsky statt für Kostüme für Innenrequisite. Heidrun Brandt auch als Architekt. Heide Woicke auch für Standphotographie. Filmlänge in Metern, Uraufführung, Erstausstrahlung: https://www.filmportal.de/film/domino_8591e8f99f5243b89d9318bbbdc98cee (besucht am 22.11.2018). Dort werden außerdem genannt: Katharina Thalbach auch als Darstellerin von Lisas Mutter, Nina Franoszek als Darstellerin der Garderobiere. Alle anderen Angaben: Originalvorspann.
Bilder: Basis-Film.