Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)

Rarität des Monats April 2016

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Vom 11.-17. April 2016 um 18 Uhr lief


Lots Weib

DDR 1965 – 106 Min. (2903 m) – 35 mm (1:2,35) – Schwarzweiß
Regie: Egon Günther. Drehbuch: Egon Günther, Helga Schütz. Kamera: Otto Merz. Szenenbild: Werner Zieschang. Bauausführung: Helfried Winzer. Musik: Karl-Ernst Sasse. Kostüme: Lydia Fiege. Masken: Kurt Tauchmann, Edeltraud Schöttler. Ton: Kurt Eppers. Schnitt: Christa Stritt. Regieassistenz: Lothar Warneke. Kameraassistenz: Klaus Goldmann. Aufnahmeleitung: Heinz Fröhlich, Gerrit List.
Darsteller: Marita Böhme, Günther Simon, Gerry Wolff, Rolf Römer, Klaus Piontek, Wolfgang Greese, Arthur Jopp, Walter E. Fuß, Werner Wieland, Harry Hindemith, Herbert Köfer, Elsa Grube-Deister, Evamaria Bath, Ilse Voigt, Marianne Christine Schilling, Hans Klering, Hans Hardt-Hardtloff, Albert Zahn, Rudolf Brock, Bodo Schnoor, Reinhard Butz, Henrik Groß, Steffen Rüsicke.
DEFA Studio für Spielfilme, Gruppe Roter Kreis. Produktionsleitung: Hans Mahlich.
Premiere: 26. August 1965, Berlin, Kino International.

Vorführung einer 35-mm-Kinofilmkopie.


Katrin Lot will die Scheidung. Unbedingt. Doch daß ihr eine Ehe ohne Liebe sinnlos erscheint, betrachtet weder ihr Mann als triftigen Scheidungsgrund noch irgendein Anwalt oder Gericht. Ihr Gatte, ein an der Ostsee stationierter Marineoffizier, der nur an den Wochenenden vorbeischaut (und wie Katrin SED-Mitglied ist), möchte der Scheidung vor allem deshalb nicht zustimmen, weil er sich im gewohnten Trott seines Lebens (samt außerehelicher Abwechslung) bequem eingerichtet hat und fürchtet, sein Ansehen könnte durch eine Trennung beschädigt werden. Die junge, gutsituierte Ost-Berlinerin – Turnlehrerin (was natürlich auch metaphorisch gemeint ist) und zweifache Mutter mit schicker Neubauwohnung – läßt sich aber von ihrem Vorhaben nicht abbringen, trotz aller Überredungsversuche, die von verschiedenster Seite unternommen werden und bei der man sie immer wieder als „Kind“ und „Mädchen“ tituliert. Schließlich schafft sie Tatsachen, ohne Rücksicht auf Verluste.

Egon Günthers („Der Dritte“, „Lotte in Weimar“) erste Solo-Regiearbeit, zu der er mit seiner damaligen Lebensgefährtin Helga Schütz auch das Drehbuch verfaßt hat, wurde Mitte 1965 mit umfangreicher, strategisch geplanter Öffentlichkeitsarbeit in die DDR-Kinos gebracht und sollte zur Diskussion über die Ehe im SED-Staat anhalten.

Mit seiner gesellschaftskritischen Haltung, aber auch der Freude an formalen Experimenten ist das Drama ein typischer Vertreter der Mitte der sechziger Jahre – in der kurzen Phase einer leichten Liberalisierung nach dem Mauerbau – produzierten DEFA-Gegenwartsfilme. So werden in „Lots Weib“ nicht nur die privaten Sitten und Gebräuche hinterfragt: Einen Höhepunkt stellt eine Lehrerkonferenz dar, auf der über Katrin Lot noch einmal zu Gericht gesessen wird. Dabei tut sich der junge Parteisekretär zwar besonders hervor, stößt allerdings mit seiner ehrlichen, kritischen Haltung auf das Mißfallen und den Widerstand der anderen Mitglieder, die die Angelegenheit nur schnell in der üblichen Weise abhandeln wollen – und erwägen, bei nächster Gelegenheit einen anderen, bequemeren Sekretär zu wählen.

Nicht nur dieser Szene wegen wäre wenige Monate nach der Premiere womöglich auch diese, mit damaligen Stars besetzte Produktion statt groß beworben zu werden, eher im Giftschrank gelandet – wie schon „Das Kleid“, bei dem Günther als Co-Regisseur fungiert hatte, und sein nächster Film „Wenn du groß bist, lieber Adam“.

Das im Scopeformat (DDR-Jargon: „Totalvision“) photographierte Werk fällt auch durch seine ambitionierte, zumal für DEFA-Verhältnisse ungewöhnliche Bildgestaltung auf, mit der offenkundig ein Gegenpol zu jener Dialoglastigkeit geschaffen werden sollte, die bei diesem Stoff nahelag.

Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.

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J.G.

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Quelle der filmographischen Angaben: Datum und Ort der Premiere: „Neues Deutschland“ (Berliner Ausgabe) vom 26. und vom 27. August 1965. Filmlänge, Filmformat, Bildformat: http://www.filmportal.de/film/lots-weib_746757352fd241de96733bc2c9ccd85d (besucht am 8.3.2016). Nachnamen der Kinderdarsteller Henrik Groß und Steffen Rüsicke: „Filmspiegel“ Nr. 7 vom 7. April 1965. Alle anderen Angaben: Originalvorspann.

Bilder: DEFA-Stiftung/Horst Blümel.